Exkurs 8
Die Palecher Künstler als Buchillustratoren
Die Palecher Kunst ist untrennbar mit der Literatur verbunden. Die Palecher Künstler waren hervorragende Buchillustratoren. Den Ursprung dieser Meisterschaft muss man in den Traditionen der Ikonenmalerei suchen. Meistens illustrierten Ikonen das Alte oder das Neue Testament, Heiligenviten oder Texte byzantinischer Hymnographen. Aus einer Reihe selbständiger Szenen entstand ein einziges gemaltes, mit zahlreichen ornamentalen Details bereichertes Bild. Eine der ersten Ausgaben, die den Palechern Anerkennung auf dem Gebiet der Buchgraphik brachte, war das „Igor´lied" in der Ausgestaltung von I.I. Golikov, erschienen im Verlag „Academia" im Jahre 1934 in einer Auflage von 3200 Exemplaren. Die Tatsache, dass der Auftrag, einen Zyklus von Buchminiaturen zu schaffen, an Golikov ging, ist das Verdienst von A.M. Gor´kij, der den Künstler für den talentiertesten in Palech hielt. Der Ausführung des Buches ging eine lange, zeitraubende Arbeit im Historischen Museum in Moskau und in der Staatlichen Öffentlichen Bibliothek (heute: Russische Nationalbibliothek) in Leningrad (Sankt Petersburg) voran. Golikov studierte die alten Ornamente, Stoffe und Gerätschaften. In diesem Buch stammen nicht nur Illustrationen, Einband, Vorsatz- und Titelblatt, Kopfleisten, Schlussvignetten und andere Elemente der Buchgestaltung von Golikov, sondern er hat auch selbst den Text von Hand geschrieben. Die Originale der Buchminiaturen ohne Lackbeschichtung werden in der Staatlichen Tret´jakov-Galerie in Moskau aufbewahrt. Im selben Verlag erschienen in kleinen Einzelbändchen Werke von A.S. Puškin. „Das Märchen vom Popen und seinem Knecht Balda" gestaltete D.N. Butorin, „Das Märchen vom Fischer und dem Fischlein" I.I. Zubkov, „Das Märchen vom Zaren Saltan" I.I. Golikov und „Das Märchen vom goldenen Hahn" I.P. Vakurov.
Das Märchen vom goldenen Hahn.
Aleksandr Sergeevič Puškin
Verlag Academia, Moskau 1937
Seite 2
Illustrator: Ivan Petrovič Vakurov
26,0 x 19,0 (Buchformat).

Das Märchen vom goldenen Hahn.
Aleksandr Sergeevič Puškin
Verlag Academia, Moskau 1937
Titelseite
Illustrator: Ivan Petrovič Vakurov
26,0 x 19,0 (Buchformat).

Das Märchen vom goldenen Hahn.
Aleksandr Sergeevič Puškin
Verlag Academia, Moskau 1937
Seite 13
Illustrator: Ivan Petrovič Vakurov
26,0 x 19,0 (Buchformat).

Vakurov interessierte sich für die mittelalterliche Miniaturmalerei Armeniens. Sein Bezug zu diesen Denkmälern kam in den für seine Buchillustrationen charakteristischen Orientalismen zum Ausdruck sowie im spezifischen Geschmack des Kolorits. „Das Märchen von der toten Zarentochter und den sieben Recken", gestaltet von I.M. Bakanov, ist ebenfalls nicht die erste Arbeit des Künstlers auf dem Gebiet der Buchillustration. In seinen Buchillustrationen macht sich der Einfluss der Fresken von Jaroslavl´ und Kostroma bemerkbar. In den 30er Jahren erschienen einige weitere von Palechern ausgestaltete Bücher: der Sammelband mit Märchen und Legenden „Es entflammte die goldene Morgenröte", Moskau-Leningrad 1939, und „Der Garten" von D. Semenovskij mit den Illustrationen von A.V. Čikurin.
Der Garten.
Dmitrij Nikolaevič Semenovskij
Moskau, Ivanovo 1936
Vorderer Spiegel
Illustrator: Aleksandr Vasil'evič Čikurin
17,1 x 12,5 (Buchformat).

Der Garten.
Dmitrij Nikolaevič Semenovskij
Moskau, Ivanovo 1936
Titelseite
Illustrator: Aleksandr Vasil'evič Čikurin
17,1 x 12,5 (Buchformat).

Der Garten.
Dmitrij Nikolaevič Semenovskij
Moskau, Ivanovo 1936
Seiten 10 und 11
Illustrator: Aleksandr Vasil'evič Čikurin
17,1 x 12,5 (Buchformat).

Der Garten.
Dmitrij Nikolaevič Semenovskij
Moskau, Ivanovo 1936
Seiten 32 und 33
Illustrator: Aleksandr Vasil'evič Čikurin
17,1 x 12,5 (Buchformat).

Das Buch hat für den Palecher Künstler die gleiche Bedeutung, wie die Schatulle. Grosse Aufmerksamkeit schenkte man jeweils den Details: den Buchstaben, Kopfleisten, Vignetten und ornamentalen Einrahmungen. Alle Illustrationen sind nicht als isolierte Kompositionen, sondern als einheitliches, den Inhalt des literarischen Denkmals interpretierendes malerisches Erzählen zu verstehen. Ein grosser Erfolg im künstlerischen Schaffen von D.N. Butorin und B.M. Nemtinov war das Buch „Afanasij Nikitins Fahrt über drei Meere, 1466-1472", Moskau 1960. Zwischen 1956 und 1960 schufen sie mehr als 40 Originalillustrationen sowie Umschlag, Vorsatzblatt, Schutzumschlag und Kopfleisten. Einige von ihnen wurden in der ersten Ausstellung „Sowjetrussland" präsentiert.
Die Reise über die drei Meere 1466-1472.
Afanasij Nikitin
Moskau 1960
Titelseite
Illustratoren: Dmitrij Nikolaevič Butorion und Boris Michajlovič Nemtinov
30,6 x 23,6 cm (Buchformat).

Die Reise über die drei Meere 1466-1472.
Afanasij Nikitin
Moskau 1960
Seite 60 (Afanasij Nikitin zu Gast bei einem vornehmen Inder)
Illustratoren: Dmitrij Nikolaevič Butorion und Boris Michajlovič Nemtinov
30,6 x 23,6 cm (Buchformat).
Die Illustrationen geben den Lärm eines orientalischen Basars wieder, das feierliche Ritual des Ausritts eines indischen Fürsten. In der Komposition „Afanasij Nikitin zu Gast bei einem vornehmen Inder" von B.M. Nemtinov erhielt das für die Palecher Kunst traditionelle Motiv des Festmahls sein Abbild. Dank dem sorgfältigen Studium östlicher Miniaturen und von Werken der altindischen Kunst ist es den Künstlern gelungen, die lebhafte, bunte Welt des Ostens darzustellen. Von den heute lebenden und aktiven Künstlern sind B.M. und K.V. Kukuliev bedeutende Meister der Buchillustration.
Sadko.
Moskau, 1974
Illustratoren: Boris Michajlovč Kukuliev und Kalerija Vasilevna Kukulieva.

Von ihnen stammt die Ausgestaltung der Bücher „Sadko", Moskau 1974, „Der Sohn Russlands" unter Mitwirkung von O. An, Moskau 1981, „Seid gegrüsst, Brüderchen", Moskau 1978, „Ruslan und Ljudmila", Moskau 1985, „Das Evangelium in den Farben Palechs" unter Mitwirkung von S.Ja. Adejanov, V.A. Buškov, N.B. Kukuliev und V.S. Makašov, Moskau 1995. Im Jahr 1994 wurden vom Ministerium für Kultur der Russischen Föderation mehr als 70 Originalillustrationen für das Staatliche Museum für die Kunst Palechs gekauft. Für diese Arbeiten auf dem Gebiet der Buchillustration wurde dem ganzen Künstlerkollektiv der Staatspreis der Russischen Föderation verliehen.