Einer der originellsten Palecher Künstler ist unbestritten Aristarch Aleksandrovič Dydykin. Er trat 1926 in die Genossenschaft für Alte Malerei ein. Der Künstler fand nicht sogleich seinen eigenen Weg und musste viele Rückschläge einstecken, bis er anerkannt wurde. Zudem ist sein Werk der Tradition verpflichtet. In seinen Kompositionen verbindet er geschickt alte Motive der Ikonenmalerei und neue Verfahren, die er sich im Laufe der Arbeit an der Lackminiatur angeeignet hat. Charakteristisch für seine Werke ist die besondere Behandlung der Landschaft und die üppige Verwendung von Gold in der Ornamentik und bei den Aufhellungen. Die Farbskala ist dekorativ, wobei die Nuancen kontrastierender Farben überwiegen: von Rosa, Grün, Violett, Gelb, Kirschrot und Ocker. Aber es sind dies nicht reine Lokalfarben, sondern ziemlich komplizierte Kombinationen, die aus der Verwendung lasierender Farben in komplementären Tönen resultieren. Dydykins grosse Aufmerksamkeit galt der ornamentalen Ausschmückung seiner Werke, die er in der Regel mit prächtigen, etwas schwerfälligen Formen von Pflanzenornamentik verziert. Für eine eigenwillige Ausschmückung kann man auch die in Gold gemalten literarischen Texte halten, die sich auf fast jedem seiner Werke finden. Die besten Miniaturen Dydykins („Ach du, Vanja, du verwegener Kerl", „Dem´jans Fischsuppe", „Die Befreiung der Frau", „Wolga – Fluss Russlands") befinden sich in der Sammlung des GMPI. Der dekorative Teller „Dem´jans Fischsuppe" ist mit viel Gefühl für Humor nach der gleichnamigen Fabel von I.A. Krylov bemalt.
Dem'jans Fischsuppe. Aristarch Aleksandrovič Dydykin Teller, 1931, 20,0 x 2,7 cm
Die kreisförmige Komposition überrascht durch Klarheit und Einfachheit. Dydykin schildert präzise den Inhalt von Krylovs Fabel in drei senkrecht untereinander angeordneten Szenen. Der oben an einem kleinen quadratischen Tisch sitzende Foka „verschlingt" aus einem Napf die dampfende Fischsuppe; gegenüber sitzt Dem´jan auf einer Bank. Auf der Miniatur gibt es vom Künstler selbst ausgedachte Details, z.B. eine weisse Katze. Dank einer neuen Figur wird die Darstellung lebendig, emotional und glaubwürdiger. Über dieser Szene steht in Gold geschrieben: „Mein lieber Nachbar! Ich bitte dich, greif zu". In der Mitte ist eine andere Stelle der Fabel dargestellt: Foka, sattgegessen, legt den Löffel zur Seite. Die weisse Katze schmiegt sich an seinen Stiefel. Links verneigt sich Dem´jans Frau mit einer tiefen Verbeugung vor ihm, rechts bringt ihm Dem´jan von neuem einen Teller Fischsuppe. Über der Darstellung ist eine Aufschrift, die den Text der Fabel fortsetzt: „Drei Teller schon hab´ ich gegessen. – Mein Freund, du musst mir noch die Ehre tun! Glaub mir, die Lust kommt mit dem Essen. Tu ganz wie zu Haus! Sie ist doch pures Gold, die Suppe. Schau: Als wäre sie ganz von Bernstein überdeckt! Ein Götterschmaus, der Tote auferweckt! Iss, lieber Freund! Ermuntre du ihn, Frau". Im unteren Teil ist der fliehende Foka mit wehendem Leibriemen und der Mütze in der Hand dargestellt. Mit dem Fuss hat er die Bank umgeworfen, der Löffel ist unter den Tisch gefallen. Die Mimik der Personen, insbesondere von Dem´jans Frau, ist ungewöhnlich ausdrucksvoll. Darüber ist eine Aufschrift in Gold: „Ob so viel fürchterlicher Huld reisst Foka endlich die Geduld. Er greift nach seinem Hut voll Grimm, und stumm, als hab´ er seine Stimm´ verschluckt, enteilt er ohne Gruss …" Unten umrahmt die letzte Zeile der Fabel die zweite: „In Dem´jans Haus setzt nie er wieder einen Fuss".