Exkurs 4
Die Liebe zur Natur – Ivan Vacil'evič Markičev
Ivan Vasil'evič Markičev, Volkskünstler der RSFSR, ehemaliger Ikonenmaler, ist einer der Begründer der Palecher Lackminiaturkunst. Er beteiligte sich an der Restaurierung monumentaler Wandmalerei von Kirchen in Moskau, Kostroma, Jaroslavl´ und im Sergij-Dreifaltigkeitskloster in Sergiev Posad. Seine grosse Erfahrung auf dem Gebiet der Wandmalerei bestimmte das Prinzip seiner schöpferischen Methode – das Prinzip des monumentalen Aufbaus der Kompositionen. In vielen Arbeiten, die sich durch Erhabenheit und durch einen retardierenden Rhythmus auszeichnen, lässt sich der Einfluss antiker Fresken erahnen. Die bedeutendsten Miniaturen im Werk des Meisters sind „Drei Wunder" und „He!", beide aus dem Jahre 1934. Von der Liebe zur russischen Natur und zu seinem Heimatland sind viele seiner Arbeiten durchdrungen. Ihre Sujets sind schlicht: „Der Hirtenjunge", „Am Brunnen", „Die Fuchsjagd", „Die Ernte". Sie vermitteln immer ein Gefühl von Stille, Versöhnung und Ruhe. Der Künstler strebt nicht nach einer inhaltlichen Entwicklung der Handlung: Erzählung und Geschichte sind nicht die Hauptsache in seinen Kompositionen. Die Grundlage seiner Meisterschaft macht der gelungene Rhythmus der Farbtupfer, Linien und Formen aus. Indem der Künstler geschickt die Form mit einfachen, strengen, öfters farbigen und nicht goldenen Aufhellungen modelliert, schafft er gleichsam lebende menschliche Figuren. Die Farbskala, die auf der Kraft und dem Ton des einzelnen Farbtupfers gründet, ist gleichzeitig frei von Buntheit und dekorativer Zersplitterung. Sie ist auf tonalen Beziehungen aufgebaut, was ebenfalls einen realistischen Anschein der abgebildeten Welt vermittelt. Das Thema der täglichen Arbeit der Bauern bekommt bei Markičev eine hohe symbolische Bedeutung. Als gelungenste Bildlösung kann die Miniatur „Die Ernte" gelten.
Die Ernte.
Ivan Vasil'evič Markičev
Schatulle, 1925, 8,5 x 13,5 x 4,3 cm
Markičev hat einige Varianten dieses Themas ausgeführt. Undurchdringlich, wie eine Mauer, die Fruchtbarkeit der Erde symbolisierend, steht der goldene Roggen. Die Komposition aus drei durch wellenförmige Bewegungen verbundene Frauengestalten verkörpert das Ideal der Weisheit, Schönheit und Anmut der russischen Bäuerin. In dieser Miniatur findet das ewige Thema der Schönheit der Frau und der Mutter-Erde ihre Verwirklichung. Im Schaffen von Markičev entsprechen die einfachen lakonischen Kompositionen immer der Form des Gegenstandes, sei es ein runder, dekorativer Teller oder eine rechteckige Schatulle. Der Künstler besass ein einzigartiges Formgefühl, vergleichbar der Meisterschaft eines antiken Vasenmalers.