Exkurs 2
A.V. Kotuchin
Aleksandr Vasil´evič Kotuchin, Volkskünstler der RSFSR, war Ikonenmaler. Das Handwerk eines Ikonenmalers lernte er während sechs Jahren in der Werkstatt der Safonovs. Er malte Kirchen im Gouvernement Samara aus und arbeitete in Moskauer Werkstätten für Ikonenmalerei. Er war der erste Vorsitzende der Genossenschaft für Alte Malerei und organisierte in Palech die Herstellung von Halbfabrikaten aus Papiermaché. Er ist ein ausgezeichneter Meister sehr ausdrucksvoller und dynamischer Kompositionen. In seinen Werken spielen Ornamente eine wichtige Rolle, die ein Bild nicht nur schmücken, sondern die Komposition ergänzen, indem sie die Malerei mit der Form des Gegenstandes organisch verbinden. Die bekanntesten Arbeiten des Künstlers sind „Der Feuervogel", „Der Erlkönig", „Das Märchen vom Zaren Saltan" und „Das Schloss der Kabale und Liebe". Dreissig Jahre widmete Kotuchin der pädagogischen Tätigkeit und unterrichtete an der A.M. Gor´kij-Kunstschule die Technik der Palecher Miniatur. Die Miniatur „Das Märchen vom Zaren Saltan" wurde vom Meister unter dem Eindruck der Oper von N.A. Rimskij-Korsakov geschaffen.
Das Märchen vom Zaren Saltan.
Aleksandr Vasil´evič Kotuchin
Schatulle, 1934, 21,0 x 27,2 x 10,0 cm
Dem Werk liegt dasselbe Prinzip der mehrszenigen Komposition zugrunde, auf dem auch die Arbeit „Das Märchen vom Fischer und dem Fischlein" von I.I. Zubkov basiert. Die Form des Gegenstandes – ein hohes Schatullen-Kästchen – ist hier jedoch komplizierter. Die vier Seitenwände und der Deckel der Schatulle sind mit Malerei geschmückt. Ungestüm und spektakulär entfaltet der Künstler seine malerische Erzählung. Auf der Vorderseite der Schatulle illustriert er die Anfangszeilen des Märchens. Von architektonischen Kulissen umrahmt sind die Szenen „Die drei Jungfrauen am Fenster" und „Zar Saltans Abschied von seiner Frau" dargestellt. Danach geht die Handlung auf eine Seitenwand über, wo „Das Verlesen des gefälschten Briefs des Zaren Saltan" abgebildet ist. Die folgenden Szenen sind auf der der Vorderseite gegenüberliegenden Seite untergebracht; es sind dies „Die Rettung des schönen Schwans vom bösen Geier durch Gvidon" und „Die Ansicht der märchenhaften Stadt". Die vierte Szene zeigt „Die Begegnung Gvidons mit der Schwanenprinzessin". Der Deckel der Schatulle bildet den kompositorischen Höhepunkt.
Das Märchen vom Zaren Saltan.
Aleksandr Vasil´evič Kotuchin
Deckel der Schatulle, 1934, 21,0 x 27,2 x 10,0 cm
Hier bildet der Künstler die drei Wunder ab: in der Mitte Fürst Gvidon und Zar Saltan, begleitet von den Helden, links das Eichhörnchen mit dem Smaragd unter der Fichte und rechts die Schwanenprinzessin und die Zarin, die aus dem Fürstenpalast heraustreten. Diese drei Szenen verbindet der Künstler mit einem dreiteiligen Bogen, dessen Bildmotive auf die Traditionen der Ikonen des Wolgagebiets im 17. Jahrhundert zurückgehen. Der dekorative Charakter, aber auch die Eleganz und Feinheit der Zeichnung, die kalligraphische Goldmalerei, verleihen der Miniatur ihr leuchtendes, buntes Kolorit, das auf den Kontrasten zwischen den Grund- und Mischfarben aufgebaut ist sowie auf ihrem statischen Gleichgewicht. Die Architekturelemente und die gewobenen Gewänder sind mit goldenen Pflanzenornamenten verziert. Die goldenen und silbernen Aufhellungen modellieren nicht so sehr die Form, vielmehr flechten sie ein kompliziertes Muster. Ornamentik und dekorative Malweise sind charakteristische Eigenschaften der schöpferischen Methode von A.V. Kotuchin.