Junge Leute! Sie arbeiten alle. Schaut, die Patin schickte Erfrischungen – ein Krug mit Milch und Piroggen – Kapa breitet ein Leinentuch aus und platziert darauf die Leckereien. "Paša, zeichnest du Viktor? Wie ähnlich! Sehr schön!" meinte sie bewundernd.
"Nun, Paša wird euch alle in die Tasche stecken", bemerkte Viktor, "er ist bereits jetzt ein ausgezeichneter Meister und wird bald ein berühmter Künstler sein. Hütchen wird er dir kaufen, Kapočka."
"Ach Leute, alles wäre gut, wenn es nur keinen Krieg gäbe", meinte Pavel nachdenklich, "die Welt – wie unheimlich sie ist!"
"Dich Pavel, wird man als den begabtesten jungen Künstler der Reserve zuteilen", tröstete ihn Parmen. "Für uns bist du ein Talent und Talente werden in unserem Land beschützt".
"Nun, Reserve oder nicht Reserve, aber die Patin wird ihm in den Uniformmantel eine Ikone oder das Gebet Lebende Hilfe einnähen – das wird ihn auf all seinen Wegen beschützen, er wird von Feinden und Kugeln unversehrt bleiben", beruhigte Kapa.
"Was denkst du, Kapa? Es war unser Vater, der im Jahr 1916 eine Ikone rettete, aber heute", befürchtet Parmen, "bist du ein Feind des Volkes, wenn sie eine Ikone entdecken, und wirst vor Gericht stehen."
"Oh, kommt schon Leute, bei euch dreht sich alles um das Schreckliche. Schaut – welch ein Wunder in der Nähe!", träumerisch verschränkt Kapa die Hände hinter ihrem Kopf und rezitiert:
Seit tausenden von Jahren erwartet uns der Wald, er ist auf das Treffen vorbereitet. Schau nach oben, umschliesse den Horizont mit den Augen, beuge dich zum Gras – Künstler, du kannst nichts verpassen. Ausuferndes Himmelblau, lockere Wolken. Die Wälder atmen, bald heben sich die Baumkronen klar vom Horizont ab, bald verschwinden sie in einem diffusen Dunst. Die Birken wirken von der Sonne geschnitzt. Die Stämme der Riesenkiefern sind wunderschön aus rotem Granit gehauen. In den Tümpeln, an feuchter Kühle, vibrieren rosafarbene und hellblaue Vergissmeinnicht. Menschenscheu verstecken sich die wachsbleichen Blütenkelche der Maiglöckchen. Die vom Wind geschaukelte violette Glockenblume stösst an die purpurne Lichtnelke. Zottelige Kornblumen spielen zwischen Ähren Verstecken. Und der Löwenzahn versteht auf einmal, wie gross die Erde ist, und verliert sich in den Weiten der Felder. Ich sage: Es Leben die Farben!
"Kapa, Kapa! Schwesterchen, du hättest mit uns zu den Künstlern gehen sollen, aber du hast dich entschieden, Lehrerin zu werden. Was für ein Bild hast du hier beschrieben!", rief Viktor.
"Vitenka, das stammt nicht von mir, sondern von Efim Fedorovič Vichrev. Erinnerst du dich, er hat Papa sein Buch geschenkt. Wie er schreibt! Ich kann mich nicht loslösen – lese und lese, und es scheint, dass ich beginne, Palech wirklich zu lieben – tief und leidenschaftlich. Denn er ist Dichter, ein Dichter, und seine Verse sind wunderbar!", begeisterte sich Kapa, "Ich möchte alles lesen und meinen Schülern auswendig vortragen, möchte unterrichten so wie eure Lehrerin – Lidija Nikolaevna Guseva."
"Nun Kapa, jetzt hast du aber übertrieben!", Parmen unterbrach sie, "Lidija Nikolaevna ist in ihrer Heimat Volokobino mittlerweile in Ungnade gefallen, sie lebt nicht in ihrem Haus aus Stein, sondern in einer kleinen Hütte mit drei Fenstern, die eher wie ein Badehaus ausschaut. Weisst du denn nicht, wie unsere Komsomolzen sie entlarvt haben? An der Versammlung stellen sie ihr plötzlich eine Frage, keine gewöhnliche, sondern eine Fangfrage: Lidija Nikolaevna, was ist Glockengeläut?"
"Früher diente sie in der Kirche", fuhr er fort, "sie war Kantorin, spielte Harmonium und ihr Gehör war ausgezeichnet. Freimütig sagte sie: Das Läuten der Glocken – das ist Musik. Die Glocken sind zerstört, und sie – Musik."
"Gegen sie wurde ein Verfahren eingeleitet und, obwohl der Staatsanwalt selbst von einer fragwürdigen Geschichte sprach, verlor sie ihre Arbeit an der technischen Fachschule und wurde an den Ljulech, stromabwärts in das Dorf Volokobino verbannt. Aber man sagt, dass unsere Studenten sie heimlich besuchten. Aber wie sollte man eine solche Lehrerin nicht besuchen! Wie gut sie die russische Literatur kannte! Sie engagierte sich für die Seele eines jeden Schülers, förderte den Sinn für künstlerische Schönheit. Vom Treffen erzählen die Schüler bloss: Ihr glaubt nicht an Gott, verletzt bloss keine religiösen Gefühle", so schloss der Bruder seine Rede.
"Ich denke, sie litt nicht für ihre Worte, sondern weil der Ehemann ihrer Tante – der Priester Johann Roždestvenskij – im Jahr 1922 erschossen wurde. Damals gab es in Šuja Erschiessungen und auch er gehörte zu den Opfern, und das fiel jetzt auf sie zurück", erinnerte sich Viktor auf einmal.
"Ja Leute, du weisst nie – manchmal hast du Pech, manchmal hast du Glück. Ich habe über sie nur Gutes gehört", meinte Kapa traurig. "Sie habe, so erzählt man sich, die Philologische Fakultät mit einer Goldmedaille abgeschlossen. Aber ihr Vater war auch ein Priester. Sie hätte alles verheimlichen müssen."
"Ja, du kannst nicht alles verbergen", antwortete Pavel, "es war ihr Schicksal. Man sagt, sie hilft kinderreichen Familien mit ihrem dürftigen Einkommen aus dem Gemüsegarten und von den Ziegen."
"Eine wahre Christin!", fasste Kapa zusammen.
"Woher weisst du was eine Christin ist?", fragte Pavel überrascht, "los Kapočka, erzähle!"
"Nun, unsere Patin betet die ganze Zeit", begann Kapa. "Und die Grossmutter Praskovʼja erzählte mir einmal eine himmlische Vision, die sie hatte: Die Ikonenmaler würden sich ihrem Sohn – unserem Vater also – annehmen, und aus ihm würde ein grosser Künstler werden. Nein, wirklich, Parmen, du kuckst mit so runden Augen – meinte Kapa verwundert – ich lüge nicht, ich habe das wirklich selbst gehört."
"Kapa, Kapa, leise. Was redest du da!", flüsterte Parmen erschrocken. "Man weiss nie, was sich die Grossmutter alles ausdenkt. Sag nicht irgendwas daher, sonst gehen wir alle stromabwärts."
"Ich bin schon still. Ich habʼs euch einfach gesagt", antwortete die Schwester. Alle waren in Gedanken versunken.
"Aber jetzt malen wir nicht mehr so wie die Meister des Artels", merkte Viktor an, "nun wird es Diplome geben – Leinwände. Ich frage mich immer, warum?"
"Ich habe alle Arbeiten von Ivan Michajlovič Bakanov kopiert", sagte Pavel, "an seinem Stil werde ich festhalten".
"Ich habe deine Alben gesehen", erwiderte Viktor, "zeichnen bedeutet für dich atmen".
"Leute, es ist Zeit, es wird dunkel", rief Kapa, "und wie kühl es vom Fluss geworden ist. Wie schön. Da sass ich immer, ich liebte den Ausblick auf Krasnoe, den Sonnenuntergang, die Wiese. Wo findet sich noch so viel Schönheit?", fügte sie begeistert hinzu."
"Vielleicht werden wir diese Schönheit bald verteidigen müssen!", dachte Viktor hörbar. "Die Engelwurz bei der Scheune, unser Haus, die Birken, den Flieder, diese Weiten, die geliebte Kirche von Krasnoe. Das wird bald geschehen, Leute, das Böse weht uns ins Gesicht. Ich werde mein Diplom machen und zur Armee gehen. Ich will dienen", bekannte er.
"Was erwartet uns? Alle wünschen sich Frieden, Glück. Aber was erwartet uns? Niemand weiss das.", sagte Kapa nachdenklich. "Viktor, du hast unsere kleine Kapelle in Djagilevo so schön gemalt. Und ich habe gehört, dass man dieses Zeugnis aus der Vergangenheit entfernen will."
"Nun, Kapočka, dir wird die Erinnerung an die Kapelle der Gottesmutter von Vladimir bleiben", antwortete Viktor leise.
"Viktor zeichnet hier gerne Kirchenarchitektur. Was für Zeichnungen wird er wohl aus Novgorod mitbringen?", fragte sich Parmen. "Sicher von vielen Kirchen. Denn in diesem Sommer geht seine Klasse nach Novgorod."
"Seht mal Leute, was für ein Himmel", – bemerkte Pavel, "morgen wird es regnen. Kap, siehst du die Wolken, schau mal! Warnzeichen sind oft nützlich im Leben."
"Pašečka, du scherzt", Kapa lächelte, "aber der Regen wird gut sein."
"Das ist eine gute Sache. Was dir alles einfällt!", Parmen runzelte die Stirn.
"Wenn es regnen wird, wird es einen Regenbogen geben", erklärte die Schwester, "ach, ich liebe Regenbogen!"
"Auch ich liebe den Regenbogen", Viktor stimmte ihr zu. "ich möchte einfach den Pinsel in seine leuchtenden Farben tauchen und mit diesen Farben irgendeine märchenhafte Studie malen", fügte er hinzu.
"Also, weitere Fantasien, ohne die könnt ihr anscheinend nicht sein", brummte Parmen, "na ja…"
"Kapa, steig aufs Fahrrad, auf den Gepäckträger, ich bringe dich nach Hause", schlug Viktor vor.
"Bring lieber deinen Blumenstrauss der Mutter", schlug die Schwester vor. "Wie er duftet. Wie Parfüm. Paša, gibt es solche Parfüme?"
"Solche wahrscheinlich nicht, aber es gibt ähnliche", antwortete Pavel.
"Ein weiteres Jahr wird vergehen, dann fünf Jahre, alles ringsherum wird blühen und sich des Lebens erfreuen", dachte Kapa. "In fünf Jahren werden wir 1942 schreiben. Viktor, wird es für uns alle ein glückliches Jahr sein?"
"Was weiss ich, Kapočka", antwortete Viktor. "Für uns? Ich weiss nicht. Aber ich möchte nicht, dass unser blühendes Königreich verdorrt. Möge es immer blühen, auch ohne uns. Wie du sagst: Es leben die Farben!"
"Es leben die Farben!", laut stimmte Kapa ein Lied an, und ihre klangvolle Stimme hallte über die Felder, den Fluss, das ferne Dorf durch Zeit und Raum…