Die Ideologen des neuen Palech
Majja Elšankina
Ideologi novogo Palecha.
In: Palech - selo-akademija alʼmanach. Izdatelʼ IP Elšankina M.D., 2017. GMPI, illjustracii, 2017. Ivanovo 2017.
Seiten 34 - 47.
Aus dem Russischen von Gabriele Wolf-Keller, M.A., Dr. Felix Keller, Dr. Felix Waechter.

Als Einleitung zu ihrem Aufsatz schreibt Majja Elšankina:

Zu den Wortführern und Verfechtern der Suche nach einer neuen Richtung in der Kunst von Palech muss man zu Recht A.V. Bakušinskij, A.M. Gorʼkij, E.F. Vichrev und G.V. Židkov zählen. Gerade sie schätzten die Bedeutung der Palecher Ikonenmalerei, die Meisterschaft der ehemaligen Ikonenmaler und ihr Streben nach Bewahrung und Fortsetzung der alten Traditionen gebührend ein. Dank der profunden wissenschaftlichen Kenntnis, der hervorragenden literarischen Begabung, der Beharrlichkeit beim Erreichen edler Ziele gelang es diesen bemerkenswerten Menschen, eine Vielzahl von Hindernissen auf dem Weg der Entstehung einer neuen Richtung in der Kunst von Palech, nämlich der Lack-Miniaturmalerei, zu überwinden. Ausser den aufgeführten Namen sollte man noch einen nennen. Es ist dies Georgij Dmitrievič Filimonov, dessen Scharfsinn bei der Beurteilung des zukünftigen Palech – bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts! – nur Verwunderung auslösen kann.


Die Autorin fasst ihre Ausführungen zum Schluss so zusammen:

Die kurze Vorstellung der Ideologen des neuen Palech bringt einen auf den Gedanken über das bewundernswerte Glück dieses Ortes. Durch einen eigenartigen, aber glücklichen Zufall haben sich hier der originale Stil der Palecher Ikonenmalerei, Talent und die unbändige Energie von Ivan Ivanovič Golikov „vereinigt", Beharrlichkeit und der Glaube seiner Kollegen an die Notwendigkeit, die Maltraditionen zu bewahren, und schliesslich das Auftreten hochgebildeter Menschen mit einer klaren bürgerlichen Einstellung – Bakušinskij, Gor´kij, Vichrev, Židkov – als wunderbare Erscheinung in Palech, was auch die Geburt der neuen, originalen Kunst der Palecher Miniatur-Lackmalerei bestimmte. Doch lange davor vermochte der Gelehrte Georgij Dmitrievič Filomonov, als er in Palech war, in den täglichen Arbeiten der Ikonenmaler das grosse schöpferische Potential zu erblicken, das eine ausserordentliche Rolle bei der Entstehung der neuen Lebensperiode des „Akademie-Dorfes" spielte.
Georgij Dmitrievič Filimonov (1828-1898)
G.D. Filimonov, Student an der Historisch-philologischen Fakultät der Moskauer Staatlichen Universität, war begeistert von den russischen Altertümern und verbrachte seine Freizeit mit der Besichtigung der Kreml-Kathedralen und der Oružejnaja palata [Rüstkammer], wo er später, von 1856 bis 1892, in verschiedenen Funktionen dienen wird. Georgij Dmitrievič hatte schon früh sein Interesse an Geschichte und Kultur des Christentums gezeigt und fasste die Ergebnisse seiner Untersuchungen in zahlreichen Publikationen zusammen. Als Archäologe führte er Grabungen in Mittel- und Südrussland und im Kaukasus durch und machte interessante Entdeckungen.

G.D. Filimonov besass eine grosse Kollektion von Ikonen, Zeichnungen, Portraits, Büchern sowie Werken der dekorativ-angewandten Kunst. In der Sammlung befanden sich etwa fünftausend Umrisszeichnungen (von der Vorlage einer Ikone auf Pauspapier [прориси]) vom Ende des XVIII./Anfang des XIX. Jahrhunderts aus dem Besitz von P. und I. Sapožnikov, die den Innenraum der Kreuzerhöhungs-Kirche in Palech ausgemalt hatten. Die kostbare Erwerbung rief eine richtige Umwälzung in der Erforschung der Ikonenmalerei hervor, weil man bis dahin die altrussische Malerei nur auf der Grundlage einer Analyse der Ikonen selbst und der literarischen Quellen untersucht hatte.

In seiner Eigenschaft als Experte und Mitglied der Moskauer Archäologischen Gesellschaft wirkte er mit in der Kommission für die Restaurierung der Ikonen und für die Aufdeckung der Fresken in der Mariae-Verkündigungs-Kathedrale [Blagoveščenskij sobor] im Moskauer Kreml. Zu Beginn der 80er Jahre leitete er die Arbeiten an der Wiederherstellung der vollständig verlorengegangenen Wandmalerei des Facetten-Palastes [Granovitaja palata] im Kreml. Nach erhaltenen Beschreibungen des bedeutenden Ikonenmalers Simon Ušakov führten die Meister der Palecher Ikonenmalwerkstatt von Safonov diese Arbeit innert kürzester Frist aus – zur Krönung des Zaren Alexander III (1883, Anmerkung des Übersetzers).

Was aber gibt es für einen Grund, G.D. Filimonov zu den Ideologen des neuen Palech zu zählen?

Im Januar 1863 fährt der Gelehrte nach Palech, das für ihn als Historiker, Kunstwissenschaftler und Sammler von Interesse ist. Seine Reiseeindrücke beschrieb er im Essay „Palech", den er in der Moskauer Zeitung „Der Tag" [Den´] publizierte, welche vom Publizisten und Slavophilen Ivan Aksakov [1823-1886] herausgegeben wurde, dem Sohn des Schriftstellers Sergej Aksakov [1791-1859], dem Verfasser des Buches „Die Kinderjahre Bagrovs des Enkels" [1858, im Original „Detskie gody Bagrova-vnuka"]. Die Zeitung war populär, mit einer zeitweilig recht grossen Auflage (zwischen vier- und siebentausend Exemplare).

Als Georgij Dmitrievič die Reise plante, hatte er praktisch keine Vorstellung von der Ortslage Palechs und befürchtete, dass sein Traum, dorthin zu kommen, nicht in Erfüllung gehen werde. Aber alles kam zu einem glücklichen Ende: Er fuhr von Moskau nach Vladimir, dann kam Kovrov, Umsteigen vom Zug auf Pferde und ein langer Weg bis Palech.

Filimonov hielt sich eine Woche in Palech auf, was es ihm erlaubte, ohne Eile die Kirchen, die bekannten Ikonenmalwerkstätten von N. Safonov und N. Korin sowie kleinere Werkstätten zu besichtigen, in denen, ausser den Meistern selbst, nur je zwei bis drei Ikonenmaler arbeiteten. Georgij Dmitrievič machte Bekanntschaft mit den örtlichen Bewohnern, war bei ihnen zu Hause. Bei der Beschreibung dieser Treffen in seinem Essay verhehlte er nicht sein Erstaunen über die Gespräche mit den „fortschrittlichen" Palechern, und war entzückt von ihren vernünftigen Betrachtungen über das Leben und die Politik. Neuigkeiten entnahmen sie aus den ihnen zugesandten abonnierten Zeitschriften und Zeitungen.

Der Gelehrte schätzte hoch ein die für ihn unerwartete Begegnung mit einem „kultivierten Volk voller klarer Überzeugungen, dass seine Geschichte kannte und unter seinen Vorfahren Leute zählte, die sich nicht allein nur mit der Ikonentechnik befassten, sondern auch mit ihrer Wissenschaft, – mit einem Wort, ich begegnete einem Volk, das mit Fug und Recht eine FORTSCHRITTLICHE RUSSISCHE VÖLKERSCHAFT genannt werden kann …" (hier und im Folgenden hervorgehoben von der Redaktion).

Indem Filimonov die Geschichte und den Zustand des Ikonenmal-Gewerbes im Palech jener Zeit analysiert, ruft er voller Emotionen aus: „Wer hätte das ahnen können … Dort ist ganz allgemein die volle Kraft der Ikonenmaltechnik." Wir wollen anmerken, dass mit dem Abbruch der Ikonenmalerei im Land 1924 diese „Kraft" mit den Jahren durch viele Palecher Meister nicht verlorengegangen ist, was auch ermöglichte, sie in ein neues Handwerk einzubringen – in die Lack-Miniaturmalerei.

„Keine einzige Ortschaft in Russland kann sich in der gegenwärtigen Zeit mit Palech vergleichen, weil die Ikonenmalerei hier NICHT DAS EINE MITTEL IST, SONDERN DAS ZIEL", schreibt der Gelehrte in seinem Essay. „Vor mir wuchs, wie aus dem Erdreich, eine unversehrte Masse höchst verschiedenartigen archäologischen Materials, zeigten sich neue Fragen, WURDE DER GLAUBE AN DIE MÖGLICHKEIT EINES FORTSCHRITTS DER IKONENMALEREI IN DER ZUKUNFT ERWECKT. Die in Palech seit alten Zeiten tief verwurzelte Ikonenmalerei hat ihre Tätigkeit nicht aufgegeben und in Zeiten einer allgemeinen Gleichgültigkeit ihr gegenüber und bis zuletzt das Pfand FRISCHER KRÄFTE, DIE DER MÖGLICHKEIT DER VERVOLLKOMMNUNG NICHT BERAUBT SIND, aufbewahrt."

Und weiter gibt es eine ganz konkrete Botschaft zur Zukunft von Palech, und zwar nicht nur in Bezug auf die Ikonenmalerei. „Uns scheint es überhaupt, dass hier nur wenig fehlt, um die in letzter Zeit im Niedergang befindliche Volkskunst wieder zu heben und IHR EINEN WEITEREN VORMARSCH ZU GEBEN. ES IST ZEIT, SICH UM DIE ZUKUNFT ZU BEMÜHEN!"

Diese Äusserung ist umso wertvoller, als Georgij Dmitriević in den für das Ikonenmalerei-Gewerbe verhältnismässig günstigen Jahren nach Palech kam, als anscheinend noch nichts den kommenden Zusammenbruch ankündigte. Er konnte damals auch nicht aufzeigen, mit was für Problemen Palech nach einem halben Jahrhundert konfrontiert und wie es gelingen werde, die Ikonenmalerei zu erhalten, indem man sie in eine neue Form der darstellenden Kunst umwandelt.

Die von G.D. Filimonov geprägte Bestimmung Palechs als „Akademie-Dorf" ist symbolisch: Wie man das Schiff tauft, so schwimmt es auch fort (Russisches Sprichwort, Anmerkung der Übersetzer).
Aleksej Maksimovič Gor'kij (1870-1936)
N.M. Zinov'ev Portrait von A.M. Gor'kij". Elektronische Quelle Yandex/images.
Der bedeutende Schriftsteller, Journalist, Vertreter des öffentlichen Lebens und Aufklärer, Aleksej Maksimovič Gor'kij (Peškov) wurde in Nižnij Novgorod in der Familie eines Tischlers geboren. Früh Waise geworden, wurde er als Jugendlicher vom verarmten Grossvater in ein selbständiges Leben entlassen; lange fristete er ein kümmerliches Dasein und schlug sich irgendwie mit harten Gelegenheitsverdiensten durch. Diese Periode ist drastisch in der Trilogie „Meine Kindheit", „Unter fremden Menschen" und „Meine Universitäten" beschrieben.
B.A. Dechterev Aleša Peškov liest in der Ikonenmalwerkstatt das Gedicht Geister von Lermontov. (Die Werkstatt für Ikonenmalerei der Familie Salabanov in Nižnij Novgorod, Anm. F.W.).
Seine starke, höchst begabte Natur, sein phänomenales Gedächtnis und sein Drang zum Wissen „rissen" Gor'kij aus dem vor ihm drohenden dunklen Leben. Er las mit Hingabe. Ohne auch nur die Mittelschulbildung erhalten zu haben, bemühte er sich erfolglos in die Universität von Kazan' aufgenommen zu werden. Schon früh begann er zu schreiben und zu publizieren. Die Erzählung „Makar Čudra", abgedruckt in der Tifliser Zeitung „Der Kaukasus" im Jahre 1892, war als erste mit dem Pseudonym „Gor'kij" gezeichnet und war der Beginn seiner Anerkennung.

Gor'kij war ein phantastisch intellektuell leistungsfähiger Mensch und hinterliess ein enormes literarisches Erbe (Gedichte, Prosa, Bühnenwerke, Publizistik). Seine Werke wurden in Russland, später in der UdSSR, und im Ausland in millionenfachen Auflagen herausgegeben- Einer der im Westen bekanntesten russischen Schriftstellern, fünf Mal (!) für den Nobelpreis nominiert.

1919 gründete Gor'kij den Verlag „Vsemirnaja literatura" (´Weltliteratur´) und erneuerte 1933 aus dem Nichts das schöne Projekt „Žizn' zamečatel'nych ljudej" (´Das Leben bedeutender Menschen´), eine auch heute noch von den Lesern hochgeschätzte Serie von Biographien. Er unterstützte Literaten in ihren Anfängen aus persönlichen Mitteln und war überhaupt ein äusserst grosszügiger Mensch.

Aleksej Maksimovič reiste viel durch das Land, besuchte viele Länder Europas und Amerika. Aus gesundheitlichen Gründen lebte er eine lange Zeit in Italien, auf Capri und in Sorrent, und nachdem er in die UdSSR zurückgekehrt war, verbrachte er die Wintermonate auf der Krim. Gegen Ende seines Lebens unternahm er wiederum eine ausgedehnte Reise durch das Land.

Im Unterschied zu anderen Gelehrten und Literaten, die an den Quellen der Renaissance von Palech standen, kannte Gor'kij dessen Vergangenheit nicht nur vom Hörensagen: Als Jugendlicher im heimatlichen Nižnij Novgorod wurde er in die Lehre in die Ikonenmalwerkstatt von Salabanov aus Palech geschickt. Die Schwere des Lebens der Ikonenmalmeister und der Knaben beschreibt er in der Erzählung „Unter fremden Menschen".

Die Eindrücke aus der Kindheit verblassten nicht mit den Jahren, und die Anteilnahme des Schriftstellers am Schicksal von Palech trug einen persönlichen Charakter. Und es gab noch einen Grund: Gor'kij spielte eine bedeutende Rolle im Schicksal des Palechers Pavel Korin. Der Schriftsteller sah die Arbeiten des jungen Künstlers in Ausstellungen in Moskau zu Beginn der 30er Jahre und besuchte die Werkstatt der Brüder Korin (Aleksej war ebenfalls Künstler). Da er die Begabung von Pavel schätzte, verschaffte Gor'kij bei der Sowjetregierung dem talentierten Künstler ein Reisestipendium nach Italien zum Kennenlernen der Museen des Landes. Danach folgte eine fast ein Jahr dauernde Arbeit von Pavel Korin an einem Portrait des Schriftstellers in Sorrent. Der Künstler sah in Gor'kij einen von Leidenschaften und Zweifeln überwältigten Denker, tragisch einsam auf einer Wind umwehten Anhöhe. Das Portraitbild – Gor'kij vor dem Hintergrund einer farblich unerwartet zurückhaltenden italienischen Landschaft – ist ein hervorragendes Werk der darstellenden Kunst.
P.D. Korin Portrait von A.M. Gor'kij, 1932
(http://artpoisk.info/artist/korin_pavel_dmitrievich_1892/portret_a_m_gor_kogo/).
In den Gesprächen zwischen Gor'kij und Korin tauchte unzweifelhaft das Thema Palech auf, das eine dramatische Umbruchszeit durchlebte und in der Lackminiaturmalerei wieder entstand. Gor'kij war entzückt von der Standhaftigkeit der einstigen Ikonenmaler in ihrem Bestreben, das künstlerische Leben Palechs fortzusetzen. Seine Definition Palechs als „ein durch die Revolution entstandenes Wunders" darf man nicht politisch interpretieren: Im vorliegenden Fall bezieht sich die emotionale Definition eher auf das Ergebnis der Tätigkeit der Menschen, dank deren Bemühungen Palech wiederauflebte.

Da Gor'kij das Werk der Palecher hochschätzte, machte er bekannte Landsleute und ausländische Berühmtheiten, z.B. den hervorragenden französischen Schriftsteller Romain Rolland, in Moskau mit bedeutenden Palecher Künstlern bekannt.
A.M. Gor'kij und R. Rolland mit Künstlern aus Palech zur Zeit eines Treffens im Jahre 1935. Von links nach rechts: M.M: Zachvatkin, I.P. Vakurov, A.V. Kotuchin, A.M. Gor'kij, R. Rolland, I.V. Markičev, I.V. Kolesov, E.F. Vichrev. Archiv des GMPI (Staatliches Museum der Palecher Kunst).
Gor'kij wollte die Grenzen des Schaffens der Palecher erweitern. Da er verstand, welche Bedeutung die Literatur für die Künstler in Palech hatte, schickte er ihnen nicht nur die Bücher der Klassiker, sondern auch eine Menge Kunstalben. Und auch seine eigenen Bücher. Die Künstler fanden in Gor´kijs Werken ausdrucksstarke Sujets und romantische Heldengestalten aus den „Italienischen Märchen", dem „Lied vom Falken" und dem „Lied vom Sturmvogel".
I.P. Vakurov Der Sturmvogel, Schatulle, 1931. GMPI
Wenn wir Aleksej Maksimovič Gor'kij zu den Ideologen des neuen Palech zählen, unterstreichen wir das Bedeutendste, nämlich seine Rolle in der Bestimmung der zukünftigen neuen Richtung der Palecher Kunst, der Buchillustration. 1932 beschloss der Verlag „AKADEMIA", das „Igorlied" mit Illustrationen einiger Palecher Künstler zum Druck vorzubereiten. Als Gor'kij von dem Projekt erfuhr, schlug er vor, die Gestaltung des Buches Ivan Ivanovič Golikov zu übertragen, den er „den genialsten Künstler aus dem Volk" nannte.

Der Miniaturmaler Golikov war auch ein genialer Illustrator. Buchstäblich ohne sich aufzurichten, arbeitet er zwei Jahre lang an der Ausgestaltung des Buches, indem er mit dem Schutzumschlag, dem Einband, den Vorsatzblättern, den Kopfleisten, den Schlussvignetten und den Initialen begann. Die Hauptsache aber war die Arbeit an den Illustrationen. In absoluter Übereinstimmung mit dem namentlich unbekannten Verfasser des „Igorliedes" gelang es ihm, den bezüglich der emotionalen Kraft übermenschlichen Nerv der vergangenen Zeit wiederzugeben: alles ballt sich zusammen, verflicht sich, fliegt und heult … das Puschkinsche „Es vermischten sich zu einem Haufen Pferde, Menschen…" [Zeile aus Puškins Gedicht „Borodino"] handelt davon [?]. Golikov konnte seinem Wunsch, eine Einheit in der Gestaltung des Buches und des Textes zu erreichen, nicht widerstehen, und so schrieb er ihn vollständig mit eigener Hand ab.

Dank dem Rat von Gor'kij wurde das Meisterwerk der Weltliteratur, das „Igorlied", in der Ausgestaltung von Golikov auch zu einem Meisterwerk der Buchgestaltung und hat nicht aufgehört, den Leser bereits seit fast hundert Jahren zu entzücken.

Der Schriftsteller war nie in Palech, aber er grüsst die Palecher und die Touristen gleich bei der Einfahrt in die Ortschaft, an der Fassade des Gebäudes der Palecher A.M. Gor'kij-Kunstschule. Im Palecher Museum erinnern Werke der Künstler auf Themen von Sujets aus den Büchern des Schriftstellers in den Vitrinen der Ausstellung der Abteilung für Lackminiaturen die Besucher noch einmal an die Beziehung Gor'kijs zu Palech.
Anatolij Vasil'evič Bakušinskij (1883-1939)
B.N. Kukuliev Portrait von Bakušinskij, Platte, Palech, 1963.
(GMPI).
Doktor der Kunstwissenschaft, Professor, hervorragender Wissenschaftler und Kunstgeschichtler, Pädagoge, Vertreter des öffentlichen Lebens, Theoretiker und Praktiker der ästhetischen Bildung, Kenner des Museumswesens – Anatolij Vasi'levič Bakušinskij wurde im Dorf Verchnij Landech, Gouvernement Vladimir (heutiges Gebiet Ivanovo) in der Familie eines Priesters geboren. Von Kindheit an träumte er davon, Künstler zu werden und begeisterte sich für das Zeichnen, Modellieren und die Bildhauerei, begann jedoch an der angesehenen Universität von Tartu an der Historischen Abteilung der Historisch-Philologischen Fakultät zu studieren. Später, bereits in Moskau, hatte er Unterricht am privaten Šelaputin-Institut, einer Hochschule, wo man nur Männer mit spezieller Ausbildung aufnahm.
Verchnij Landech, Christi Auferstehungskirche, 1951.
(https://ok.ru/istoriyalandeha?st._aid=GroupTopicLayer_VisitProfile).
Anatolij Vasil'evič unterrichtete an vielen bedeutenden Hochschulen und war Professor der Moskauer Staatlichen Universität.

Von 1924 bis 1939 arbeitete er in der Staatlichen Tret'jakov-Galerie, wo er die von ihm geschaffene Abteilung für Graphik und Zeichnung leitete. In den Jahren 2007-2008 wurde zum 125. Geburtstag von Bakušinskij in der „Tretj'akovka" die Ausstellung „Von der Zeichnung begeistert" organisiert, bei der es sich um ein beispielloses Ereignis handelte, da man die Ausstellung nicht dem Werk eines Künstlers widmete, sondern der Tätigkeit eines angesehenen Mitarbeiters und Gelehrten.

Das wissenschaftliche Erbe Bakušinskijs ist sehr umfangreich. Wir nennen hier nur die Arbeiten „Die Kunst von Palech" (´Iskusstvo Palecha´), „Künstlerisches Schaffen und Erziehung" (´Chudežestvennoe tvorčestvo i vospitanie´), „Museal-ästhetische Exkursionen" (´Muzejno-ėstetičeskie ėkskursii´). Er hat praktisch als erster eine Methode zur Durchführung von Museumsexkursionen erarbeitet. Dank A.V. Bakušinskijs Tätigkeit sind die künstlerischen Traditionen von Palech, Mstera, Gorodec, Chochloma und Dymkovo erhalten geblieben und schöpferisch bereichert und fortgesetzt worden.

Anatolij Vasil'evič Bakušinskijs Rolle im Schicksal von Palech (wie auch anderer künstlerischer Zentren Russlands) kann man nicht hoch genug einschätzen, soweit er wirkungsvoll am Prozess des Erhalts der alten Ikonenmal-Traditionen und gleichzeitig am für Palech lebenswichtigen Übergang von der Ikonenmalerei zur Lackminiatur teilnahm. Ungeachtet der scharfen Kritik vonseiten der Verfechter der Zerstörung der „alten Welt", die den Gelehrten des „Hinüberziehens" von Überlebtem (nämlich der Ikonenmal-Tradition) in die Kunst des heutigen Palech beschuldigten, vermochte Bakušinskij seine Ansichten zu verteidigen und die Lebensnotwendigkeit des Bewahrens jahrhundertealter Traditionen als Grundlagen der neuen Richtung in der Kunst Palechs zu beweisen.

Als herausragendes, positives Charakteristikum von Anatolij Vasil'evič muss man unbedingt seine demokratische Gesinnung bezeichnen, seine Fähigkeit, eine gemeinsame Sprache mit den Künstlern zu finden, mit den Meistern der dekorativen, angewandten Kunst, die von der Natur mit dem Talent versehen worden waren, Schönes zu schaffen, sich aber nicht immer in kunstwissenschaftlichen Theorien auskannten. Er geizte nicht mit Zeit für aufklärende Gespräche, wobei er vor den Künstlern die unübersehbaren Räume der Weltkunst aufzeigte und die Verbindungen der Palecher Ikonenmalerei mit ihr aufspürte. Anatolij Vasil´evič schätzte die Persönlichkeit eines Meisters sehr hoch ein und betonte auf jegliche Art und Weise, wie behutsam man sich gegenüber der zarten Natur eines Schöpfers verhalten muss. Auch die Künstler sprachen mit ihm in einer Sprache, nicht als „Angeleitete", sondern als Gleichgesinnte und Kampfgefährten.

Mit Wehmut, warmherzig und detailliert erinnerte V.M. Vasilenko an seinen Lehrer und Kollegen im Essay

ANATOLIJ VASIL'IEVIČ BAKUŠINSKIJ UND DIE VOLKSKUNST

Aus dem Dunkel der Erinnerung taucht das Bild von Anatolij Vasil'evič auf, und ich höre gleichsam seine Stimme und sehe seine gütigen, freundlichen, durch ihr unergründliches Blau überraschenden Augen, seine ruhigen, aber bestimmten Bewegungen und seine hohe Gestalt. Mit ihm war es immer unkompliziert, niemals spürte man, dass man mit einem Menschen sprach, der viel höher stand als man selbst. Er freute sich immer über ein Treffen mit einem Menschen, war leutselig und aufmerksam. Der Umgang mit ihm und selbst ein kurzes Gespräch erfrischten einen und hinterliessen den Wunsch, an etwas, das unüberwindbar schwierig erschien, zu arbeiten … Ich lernte, natürlich nicht so vollkommen, wie er dies tat, die künstlerische Analyse von Werken der dekorativ-angewandten Kunst, Aufmerksamkeit und tiefe Hochachtung gegenüber dem kleinsten, von einem Künstler geschaffenen Werk … Von allen auf diesem Gebiet Arbeitenden unterschied er sich dadurch, dass er nicht nur Kunstdenkmäler untersuchte, sondern auch nicht weniger Kraft, Gefühl und Scharfsichtigkeit dem lebendigen Umgang mit den Künstlern widmete, jener Hilfe, in der er eine seiner wichtigsten Arbeiten sah. GERADE ER ERRIET DAS HAUPTSÄCHLICHE IN DER KUNST VON PALECH …

Bakušinskijs Buch über die Kunst von Palech ist ein Beispiel für das tiefe Verständnis des Gegenstandes, der bildhaften, präzisen Sprache. Er versteht es, beim Leser Interesse zu erwecken, ihn zu zwingen, eine kostbare Schatulle in die Hand zu nehmen und sie zu betrachten. Sogleich steht uns dieses Buch dadurch besonders nahe, weil hier nicht eine äusserliche, kalte und oberflächliche Beschreibung gegeben wird, sondern die Wahrnehmung eines lebendigen Gefühls der Freude, die bei der Begegnung mit einem Kunstwerk aufkommt … Er liebte es, Gegenstände längere Zeit zu betrachten. „Je länger ihr schaut, umso vollständiger werdet ihr erkennen," waren seine Lieblingsworte, „Habt es nicht eilig. Einer der verbreiteten Fehler jener, die sich mit angewandter Kunst befassen, ist das Gleiten über die Oberfläche, der Unwille, sich länger mit den Gegenständen zu befassen. Gegenstände muss man ebenso aufmerksam betrachten, wie Bilder und Skulpturen."

Anatolij Vasil'evič Bakušinskij Die Kunst von Palech, Academia Verlag 1934.
Schutzumschlag: I.M. Bakanov.
Bakušinskij war ein vielseitig begabter Mensch, er schätzte das alte und das zeitgenössische gute Buch, kannte die Literatur ausgezeichnet und liebte sowohl Gedichte wie auch Prosa. In seiner Bibliothek gab es nicht wenige seltene Bücher. Anatolij Vasil´evič schätze auch das, was als Buchkunst bekannt ist, indem er das Buch als Kunstwerk verstand. Als „Die Kunst Palechs" gedruckt werden sollte, erörterte er mit Ivan Bakanov, einem der bedeutendsten Palecher Künstler, die Vignetten und den Umschlag, und diese wurden nicht nur prachtvoll ausgeführt, sondern verbanden sich auch organisch mit dem ganzen Buch insgesamt. Anatolij Vasil´evič bat Bakanov insbesondere darum, von der „bäuerlichen" Auffassung des Themas auszugehen. Dies ist die fein ausgearbeitete Landschaft Palechs voller naiver Anmut, mit der altertümlichen Kirche, mit seinen Häusern, Gärten und mit Szenen der Arbeit. Bakanov gelang es, dies alles zu einer Einheitin zu verschmelzen und dem Ganzen den Aspekt einer authentischen Miniatur zu verleihen, indem er das Buch gleichzeitig mit einem vorzüglichen Einband versah.
Anatolij Vasil'evič Bakušinskij Die Kunst von Palech, Academia Verlag 1934.
I.M. Bakanov: Titelvignette Seite 11.
Anatolij Vasil'evič Bakušinskij Die Kunst von Palech, Academia Verlag 1934.
I.M. Bakanov: Titelvignette Seite 131.
Anatolij Vasilievič Bakušinskij Die Kunst von Palech, Academia Verlag 1934.
I.M. Bakanov: Titelvignette Seite 212.
Anatolij Vasil'evič liebte diesen Umschlag und die Vignetten sehr, in denen er die „grossartige und neue Kunst Palechs" sah …

Die Vorstellung von Anatolij Vasil'evič wäre nicht vollständig, wenn ich nicht von seiner künstlerischen Begabung erzählte. Begeistert von der Kunst Palechs, versuchte Anatolij Vasil'evič selbst, auf Papiermaché zu malen. In seiner Familie haben sich kleinere Schatullen erhalten, auf denen das feine Empfinden der Farbe zu sehen ist. Ich erinnere mich, wie einmal der bekannte Maler E.E. Lansere zu Anatolij Vasil'evič – sie waren befreundet – kam, eine Schatulle betrachtete und sagte: „Wie gut Sie das Wesen der Miniatur empfunden haben!" Danach begann er, mit den Palecher Gegenständen aus der Sammlung von Anatolij Vasil'evič zu liebäugeln, und entzückt von einem (von Golikov signierten) winzig kleinen Schächtelchen, auf dem ebenso winzige russische Recken mit Tataren kämpften, äusserte er nur zwei Worte: „Das ist ein Traum!".

Bakušinskij versuchte sich auch in der Schnitzerei. Als er sich im Sanatorium „Abramcevo" erholte (das war wohl im Sommer 1938), schnitzte er aus einem Stück Lindenholz einen schneeweissen, ungestüm aufwärtsstürmenden Pegasus; an seinem gebogenen Hals, der leichten und kräftigen Silhouette, dem glatt bearbeiteten Körper spürt man den Einfluss der besten Merkmale einer Schnitzerei aus Bogorodskoe. Als er aus „Abramcevo" abreiste, schenkte er seine Arbeit als Andenken dem Museum, wo sie sich noch heute befindet.

Anatolij Vasil'evič liebte die Musik sehr, oft ging er in Konzerte und spielte selbst ausgezeichnet Geige. Vor allem liebte er Musikstücke aus dem 18. Jahrhundert, die er präzise und begeistert wiedergab. Oft spielte er Mozart, Rameau und andere Komponisten.

Am 8. Januar 1939 ging ich abends zu Anatolij Vasil'evič … Er war erschöpft und sagte: „Komm morgen." Aber dann nahm er seine Geige und spielte zwei Stücke – von Lully und Rameau. Ich verabschiedete mich von ihm, ohne zu wissen, dass es für immer war. Am anderen Morgen ist er gestorben … Er starb plötzlich als er sich anzog, um zur Arbeit in die Tret'jakov-Galerie zu gehen.

Efim Fedorovič Vichrev (1901-1935)
M.A. Markičev Portrait von E.F. Vichrev, 1930er Jahre.
Leinwand, Öl. 55, 5 x 87, 5 cm. GMPI.
Der Dichter, Schriftsteller, Journalist und Vertreter des öffentlichen Lebens, Efim Fedorovič Vichrev wurde in der Stadt Šuja, Gouvernement Vladimir (heutiges Gebiet Ivanovo) geboren. Er besuchte das Knabengymnasium von Šuja und nahm später am Bürgerkrieg teil. Ab 1922 war er Student am Polytechnischen Institut von Ivanovo-Voznesensk. Ab 1925 arbeitete er in Ivanovo bei der Zeitung „Rabočij kraj" (´Arbeitsland´), wo er seine Gedichte veröffentlichte. Von 1925 an lebte er in Moskau und arbeitete als Sekretär des Verlags „Nedra". Die Begegnung mit Palech, die vieles in Vichrevs Schicksal bestimmte, fand 1925 statt, und eben damals wurde in der Zeitung „Rabočij kraj" sein erster Essay über Palech, „Von Generation zu Generation", publiziert.
Efrim Fedorovič Vichrev Die Palecher, Moskovskoe tovariščestvo pisatelej 1934.
Links: N. Zinov'ev Lied über den Falken.
Darüber, wie emotional und begeistert Vichrev über die Palecher und ihr Schaffen schrieb, erzählt niemand besser als Efim Fedorovič selbst. Wenn man seine Bücher „Die Palecher" und „Palech" liest, kann man sich davon überzeugen, wie talentvoll dieser Mensch war, was auch A.M. Gor'kij und so bedeutende Schriftsteller wie M. Prišvin und V., Šklovskij, sowie unsere Landsleute wie der Dichter und Journalist S. Semenovskij (der selbst Palech ausgezeichnet kannte und darüber schrieb) und der Professor der Staatlichen Universität von Ivanovo, der bekannte Literaturwissenschaftler P. Kurpjanovskij, bemerkten.
Efrim Fedorovič Vichrev Palech, Genossenschaft "Nedra" 1930.
Vichrev nennt man den „Sänger Palechs", und er selbst verglich einmal Palech mit „einem Strahl aus der Jugend". Soll man es nach all dem für einen tragischen Zufall halten, dass das Leben von Efim Fedorovič unerwartet in Palech endete und er in der Erde des von ihm so heiss geliebten Ortes ruht?

Was hat denn Vichrev so Ungewöhnliches für das neue Palech und die nachfolgenden Generationen getan, dass man ihn unbedingt zu den Ideologen zählen muss? Ja, er ist der Verfasser zweier Bücher, deren eines ohne Übertreibung einzigartig ist, denn es besteht aus Biographien, die auf sein Anraten hin von den Künstlern selbst geschrieben worden sind. Ja, in zahlreichen Publikationen und bei Treffen mit bekannten Leuten gab Efim Fedorovič begeisterte Beurteilungen der Arbeiten der Künstler ab und propagierte eindrucksvoll das neue Palech. Auch dies hätte genügt, dass sein Name nicht aus den Seiten der Geschichte des zeitgenössischen Palech verschwunden wäre. Aber das historische Hauptverdienst von Vichrev gegenüber Palech besteht darin, dass gerade er als erster die Idee aussprach, dass es nötig sei, in Palech ein Museum zu gründen. Die Idee fand Unterstützung nicht nur bei den Künstlern, was nicht verwunderlich ist, sondern wurde auch positiv eingeschätzt von den Funktionären der Hauptstadt, und zwar besonders von A.V. Bakušinskij und später G.V. Židkov.

Hartnäckig und geschickt lancierte Efim Fedorovič dieses Thema in Moskau. Manchmal erlahmte seine Energie, zeitweilig verzweifelte er, aber als talentierter Organisator und, wie man heute sagen würde, effektiver Verhandler, erreichte er ein positives Resultat – der Beschluss über die Gründung eines Staatlichen Museums der Palecher Kunst wurde angenommen.

Die Gründung des Museums erlaubte es, in seinen Beständen viele der besten, in den Jahren des Entstehens einer neuen Richtung geschaffenen Arbeiten von Palecher Künstlern aufzubewahren, aber auch Werke der Palecher Ikonenmalerei und der dekorativ-angewandten Kunst und die Thematik der Sammlung wesentlich zu erweitern.
Von links nach rechts: I.M. Bakanov, E.F. Vichrev, I.I. Golikov.
Archiv GMPI.
Dank der Weitsicht von Efim Fedorovič Vichrev, seiner Energie und Überzeugtheit, setzte das Staatliche Museum der Palecher Kunst, ein Museum von Weltrang, seine vornehme kulturell-aufklärerische Tätigkeit fort.

Es ist tröstlich, dass Palech dies niemals vergass noch vergisst.
German Vasil'evič Židkov (1903-1953)
A.S. Krivcova Portrait von G.V. Židkov, Platte. 1963.
GMPI.
Der hervorragende Spezialist des Museumswesens, der Gelehrte und Kunstwissenschaftler German Vasil'evič Židkov, schloss die Historisch-Philologische Fakultät der MGU im Jahre 1922 ab. Er arbeitete im Institut für Archäologie und Kunstwissenschaft, in der Abteilung für Museumswesen des Narkompros [Volkskommissariat für Aufklärung] und beteiligte sich an der Arbeit der Gesellschaft zur Erforschung des russischen Landgutes. Er war Dozent an der MGU und am Institut für Kinematographie und hielt Vorlesungen an vielen Lehranstalten, darunter am Institut für Philosophie und Literatur (IRLI).

Von 1930 bis 1934 war er in der Verbannung im nördlichen Ural aufgrund einer unbewiesenen Beschuldigung der Teilnahme an einer konterrevolutionären monarchistischen Organisation.

Von 1934 bis 1938 war er einer der Organisatoren und erster Direktor des Staatlichen Museums der Palecher Kunst.

Von 1938 bis 1953 arbeitete er in der Tret'jakov-Galerie (ab 1943 als stellvertretender Wissenschaftsdirektor).

Ausser der Monographie „Puškin in der Kunst Palechs" hinterliess er einen grossen literarischen Nachlass zur russischen Kunst vom 14. bis zum 18. Jahrhundert.
German Vasil'evič Židkov Puškin in der Kunst Palechs,
Staatlicher Verlag der darstellenden Künste, Moskau - Leningrad, 1937.
Mit grosser Sympathie und indem er German Vasil'evičs Tätigkeit als Ideologe des neuen Palech und Direktor des Palecher Museums hoch einschätzt, erinnert sich sein Freund, der Gelehrte und Ägyptologe Vsevolod Vladimirovič Pavlov, an ihn. Mehr als dreissig Jahre arbeitete er im Staatlichen A.S.-Puškin-Museum für Darstellende Kunst. Er ist Verfasser von Büchern, die auf der Grundlage von Untersuchungsmaterialien zu den Kunstbeständen des Alten Ägyptens der Museumssammlung fussen.

Zusammen mit dem Professor der MGU, dem Direktor des Historischen Museums, Ju.V. Sergievskij, war er zu Besuch bei German Vasil'evič in Palech.

V.P. Pavlov: GERMAN VASIL'EVIČ ŽIDKOV IN PALECH

Wenn ich an German Vasil'evič Židkov denke, dann erinnere ich mich am meisten an Palech, an seine Wälder und an das Flüsschen Ljulech, an das Haus mit den Birken am Ende des Dorfes, wo German Vasil'evič wohnte, ich erinnere mich an die Kirche in Palech mit ihrem schlanken, spitzen, von weitem sichtbaren Glockenturm. Ich erinnere mich auch an die Ebereschen im Herbst an den Seiten der Chaussee von Ivanovo nach Šuja. Und dann wird mir verständlich und besonders nah der bemerkenswerte Künstler und Dichter Ivan Ivanovič Zubkov, der eben diese Palecher Ebereschen besungen hat, denn jegliche echte Kunst hat einen wahren Kern.

Gerade diese Wahrheit wusste von den ersten Tagen seines Lebens an auch German Vasil´evič in der Kunst der Palecher Meister zu schätzen. Es war in der Mitte der 30er Jahre, als I.M. Bakanov und I.I. Golikov, I.V. Markičev und A.V. Kotuchin, N.M. Zinov'ev und I.I. Zubkov, N.M. Parilov und A.A. Dydykin, F.A. Kaurcev, N.A. Pravdin, P.D: Baženov und andere ihre bedeutenden Kostbarkeiten schufen. Sie alle und viele andere Palecher dieser Jahre waren ausserordentlich unterschiedlich und vielgestaltig in Bezug auf den Stil und die Realisierung der Bildgestaltung. Die einen begeisterte mehr die Farbe, die andern eher die Graphik. Aber bei all ihrem Unterschied bestand auch eine gewisse Gemeinsamkeit, die durch den Bestand an Regeln, an stilistischen Richtlinien und Malmethoden erklärt werden kann, wie dies auch in der altrussischen Kunst der Fall war. Diejenigen, die die Palecher Kunst nicht verstanden und dafür nicht empfänglich waren, sahen nichts in dieser Kunst, die ihnen als erstarrte Ikonographie und gekünstelte Verfahren erschien. Diejenigen, die die Palecher Kunst aufrichtig liebten, sahen ausser ihrem traditionellen Äusseren und ihrer authentischen Grundlage, ihre Wahrheit, die auf unterschiedliche Art und Weise von den einzelnen Meistern aufgedeckt wurde. Eben diese Aufgabe, die vor jedem Erforscher der Palecher Kunst stand, begeisterte auch German Vasil'evič, der im Jahre 1937 zum Direktor des sich in dieser Zeit im Aufbau befindlichen Museums ernannt wurde.
Das Staatliche Museum der Palecher Kunst.
© 2009, "Kakim byl Palech" oldphoto.artpalekh.ru
Ich erinnere mich, wie im Winter desselben Jahres Professor Jurij Vladimirovič Sergievskij, der zu jener Zeit eine grosse Rolle in der Museumsabteilung des Narkompros spielte, einmal zu mir sagte: „Wir sind dabei, ein Kunstmuseum in Palech zu schaffen. Was denken Sie, würde Židkov für diese Aufgabe passen?" Ich richtete dies German Vasil'evič sogleich aus, und er fuhr nach Palech, um sich mit der Angelegenheit bekannt zu machen. Židkovs Ernennung war aussergewöhnlich erfolgreich und entsprach völlig seinem Charakter.

Da er ein bedeutender Erforscher der altrussischen Kunst war, befasste sich German Vasil´evič bereits in jenen Jahren mit der angewandten Volkskunst und verstand ihren Reiz. Also konnte er bei der Einrichtung des Museums in Palech zweifellos Nutzen bringen, umso mehr als ihn das Museumswesen bereits begeistert hatte, das er liebte und wofür er ein tiefes Veständnis hatte. Der beste Beweis dafür war ein wenig später die erfolgreiche Tätigkeit von German Vasil'evič auf dem Posten des stellverstretenden Direktors in der wissenschaftlichen Abteilung der Tret'jakov-Galerie. Zu guter Letzt muss man das echte organisatorisch-administrative Talent von Židkov erwähnen, das, wie ich sagen würde, eine ihm angeborenen Eigenschaft war.

Im ersten Frühjahr der Anwesenheit von German Vasil'evič in Palech besuchten Ju.V. Sergievskij und ich ihn dort. Sergievskij interessierten die Perspektiven des Palecher Museums, und ich wollte die Palecher Kunst, ihre Meister, deren Gedanken und Gefühle an Ort und Stelle kennenlernen. Man wollte natürlich auch ein wenig auf die Jagd gehen.

Es waren die letzten Apriltage, jene bezaubernden Tage im Jahr, in denen die reine Luft auf besondere Art und Weise gläsern ist, die Weiten klar und durchsichtig sind und es im Wald noch nicht grünt, er aus schlanken Linien besteht und graphitfarben ist [?]. Den ganzen Weg von Šuja nach Palech ging unser Pferd im Schritt. Wir stiegen oft vom Fuhrwerk und gingen zu Fuss und genossen den Frühling, die Ruhe und Stille. Wir kamen am Abend in Palech an. German Vasil'evič trafen wir zu Hause nicht an, er war beim Unterricht mit den Künstlern. Wie das bei einem echten Fachmann der Fall ist, war sein Arbeitstag immer streng eingeteilt. Er verwandte viel Kraft auf die Lehrveranstaltungen mit den Meistern der älteren und mittleren Generation, den bereits berühmten Palecher Meistern, und mit ebensolcher Aufmerksamkeit verhielt er sich gegenüber der Jugend. Es respektierten ihn die einen wie die anderen, alle trugen seiner Autorität Rechnung und alle schätzten die erworbenen Kenntnisse.

German Vasil'evič war eine echte Führungspersönlichkeit, so eine, wie jeder wahrhafte Erzieher eines grossen und komplizierten Künstlerkollektivs sein muss. Bis zum Beginn der 30er Jahre war Anatolij Vasil'evič Bakušinskij ein solcher Leiter in Palech, von der Mitte der 30er Jahre an German Vasil´evič Židkov.

Jede dieser zwei Etappen in der Entwicklung der Kunst des Palecher Artels hatte ihre Spezifik und ihre Schwierigkeiten. Bakušinskij war einer der Begründer der – im wahren Sinn dieses Wortes – neuen Kunst Palechs. Židkovs Aufgabe jedoch bestand in der korrekten Leitung eines grossen Kollektivs von erstklassigen Meistern mit ihren bereits herausgebildeten Neigungen und Ansichten bezüglich der Kunst, die tief und schöpferisch die Traditionen der grossartigen Kunst verkörperten, die ihre Wurzeln in der altrussischen künstlerischen Kultur hat.

Bei uns spricht und schreibt man viel über das Problem von Tradition und Neuerung, ein für die Kunst Palechs äusserst aktuelles Problem. Theoretisch ist die Frage für alle klar. Tradition ist nicht das naturalistisch genaue Kopieren der alten, wenngleich auch grossartigen Kunst, sondern ihre schöpferisch lebendige Umdeutung. Ungeachtet dessen ist diese, wie es scheinen sollte, klare Sachlage nicht angenommen worden und wird bis heute von vielen Kunsthistorikern bei der Beurteilung und Analyse der Kunst der Palecher Meister der klassischen Vorkriegsperiode nicht in Betracht gezogen.

German Vasil'evič erkannte vom ersten Tag seiner Arbeit in Palech an diese schöpferische Quelle im Traditionsverständnis durch die Palecher Künstler, sah aber auch den starken Unterschied des künstlerischen Bildes, des Stils und der Handschrift bei jedem dieser Meister. Und hier zeigte sich sein äusserst wertvoller Charakterzug bei der Arbeit mit den Meistern. German Vasil'evič drängte niemals einem Künstler seine Ansicht im Vergleich mit anderen auf, bevorzugte nie den einen gegenüber dem anderen. Er war ein sehr taktvoller Mensch und vermochte immer die eine oder andere Begabung richtig einzuschätzen, auch wenn sie seinem persönlichen Geschmack nicht entsprechen sollte. Gerade wegen dieses Charakterzuges achteten die Palecher Židkov besonders.

Ausser Vorlesungen über allgemeine Kunstgeschichte führte German Vasil'evič stets individuelle Gespräche mit den Künstlern, und es scheint, dass gerade diese Gespräche für sie vor allem anderen nötig waren. Wie ich das jetzt vor mir sehe: German Vasil'evič und Ivan Ivanovič Golikov treffen sich, stehen da und unterhalten sich. Äusserst ausdrucksvoll ist die Gestalt des immer munteren, sehr lebhaften Golikov. Es ist zu sehen, dass das Gespräch um gewisse für ihn wichtige Fragen geht. German Vasil'evič dagegen ist ruhig und konzentriert. Jede seiner Vorlesungen oder sogar jedes Gespräch bei einem zufälligen Treffen war gründlich durchdacht. Das heisst nicht, dass er nur wenig emotional war. Im Gegenteil, wieviele interessante Gedanken, Eindrücke und feine Gefühle zeigte German Vasil'evič im Laufe unserer jahrelangen Wanderungen auf der Jagd durch die Wälder, Wiesen und Sümpfe. Aber diese höchst emotionale Wahrnehmung befand sich immer in voller Harmonie mit dem Gedanken, was besonders wertvoll sowohl für den Künstler, als auch für den Gelehrten ist. German Vasil'evič vermochte es, das geheime Suchen des Künstlers richtig zu erraten und herauszulesen und ihn daher auch auf den notwendigen Weg zu lenken, wobei er jedoch in keiner Weise dieses Suchen störte und verfälschte.
I.V. Markičev Die Getreideernte, Schatulle, 1925.
8, 5 x 13, 5 x 4, 3 cm. GMPI (Das Staatliche Museum der Palecher Kunst).
Er begriff die ungeheure Begabung von Golikov und sein ungezügeltes Gefühl für das Dekorative, er schätzte die durchsichtige Reinheit der Farbe und die ruhige Linienführung von I.V. Markičev höher als alle anderen, ergötzte sich immer an den lyrischen Landschaften von I.I. Zubkov, an der Palecher Klassik von I.M. Bakanov und den unerwarteten Motiven der speziellen alten Heraldik in der Kunst von D.N. Butorin.
Ivan Ivanovič Zubkov Jagdszene, 1934.
8,1 x 9,9 x 2,6 cm.
Eines Tages sagte er zu mir: „Betrachte die Komposition der Jagd bei Butorin. Wieviel steckt darin von der Kunst der Sassaniden." Nebenbei bemerkt wissen wahrscheinlich nur wenige, dass sich German Vasil´e-vič in seinen Jugendtagen voller Begeisterung mit der Kunst der Sassaniden befasst und darüber eine vom Akademiemitglied I.A. Orbeli gebührend gewürdigte Arbeit geschrieben hat (I.A. Orbeli, Orientalist, von 1934 bis 1951 Direktor der Ermitage. Die Kunst der Sassaniden ist die Kunst des Sassaniden-Reiches, benannt nach einem seiner Gründer, Sasan, das auf dem Gebiet des heutigen Irans und Iraks von 224 bis 652 unserer Zeitrechnung bestanden hat Charakteristisch für diese Kunst ist insbesondere die komplizierte dekorative Art in der Ausschmückung der Gegenstände. Anm. der Red.).
D.N. Butorin Hirschjagd.
Rostam und die sieben iranischen Helden auf der Jagd in Turan, zugeschrieben dem Miniaturmaler Mir Sayyid Ali. Folio 135v aus dem Shahnameh (Buch der Könige) des Schah Tahmasp, 1520-1530.
Aus: The Shahnama of Shah Tahmasp, the Persian Book of Kings, The Metropolitan Museum of Art, New York, Yale University Press, New Haven and London, 2015.
Hier nähern wir uns noch einer, sehr wesentlichen Frage bei der Analyse der Palecher Kunst. Viel ist geschrieben und gesprochen worden über den Einfluss der antiken Kunst (auf die Bilder von Markičev) und der östlichen, insbesondere der persischen Miniatur auf viele Meister usw. Betrachtungen ähnlicher Art erforderten und erfordern jedoch wesentliche Korrekturen. Die besonders in den 20er und 30er Jahren verbreitete Theorie des Einflusses verlor jegliche Bedeutung mit dem Aufstieg der sowjetischen Wissenschaft, die die wirklichen Gesetze der dialektischen Entwicklung des historischen Prozesses suchte [?]. In Zusammenhang damit entfiel natürlich jede Art von Ansichten über direkte Beeinflussungen zum Beispiel der italienischen Renaissance oder der persischen Miniatur auf die Kunst Palechs. Der Einfluss war nie und konnte nie ein Faktor sein, aber im Entwicklungsprozess des gesellschaftlichen Bewusstseins ist die Hinwendung dieser oder jener Künstler zu diesen oder jenen Künstlern oder Erscheinungen der Vergangenheit selbstverständlich.

Ein grosses Verdienst von Bakušinskij bestand darin, dass er als erster die Kunst der Palecher Lackarbeiten mit dem künstlerischen Erbe der alten Kultur von Vladimir-Suzdal' in Verbindung brachte und zu Recht die Frage nach der Kontinuität des neuen Palech mit seiner alten künstlerischen Kultur des 18. und des Anfangs des 19. Jahrhunderts stellte. Dieses Problem entwickelte und vertiefte Marija Aleksandrovna Nekrasova weiter in ihrem ausgezeichneten Buch „Iskusstvo Palecha" (´Die Kunst Palechs´). Diese Frage erweiterte auch G.V. Židkov, und zwar nicht nur in seinen Untersuchungen, sondern auch in der künstlerischen Praxis, indem er mit den Palecher Meistern in den 30er Jahren arbeitete. Ich erinnere mich gut daran, wieviel German Vasil´evič an Büchern und Illustrationsmaterial jeglicher Art herbeischaffte und dadurch den Gesichtskreis der Meister erweiterte. Er arbeitete mit den Palechern auch in den Moskauer Museen. German Vasil'evič verstand es, die Kunstwerke sichtbar zu machen, verstand es auch, den Künstlern Palechs jene Bilder nahezubringen, mit denen sie schon lange schwanger gingen.

Auf viele Palecher Meister hatten natürlich auch andere Künstler und ganze Erscheinungen vergangener Epochen einen Einfluss. Aber manchmal ist es schwierig festzustellen, woher zum Beispiel so eine ungewöhnliche, eigenartige Komposition, wie „Ratmir an den Mauern des Zauberschlosses" von A.A. Dydykin erscheinen konnte.
Ivan Petrovič Vakurov Dämonen. Schatulle, 1935,
19,5 x 26,2 x 4,3 cm.
Aleksandr Vasil'evič Kotuchin Das Märchen vom Zaren Saltan, Deckel der Schatulle, 1934.
21,0 x 27,2 x 10,0 cm.
I.V. Markičev Die drei Wunder, Schatulle, 1934.
20 x 27 x 4,5 cm.
German Vasil'evič hatte recht, als er als Thema für sein Buch Puškins Poesie in der Kunst Palechs wählte. Puškin wurden die besten und inspiriertesten Werke der Palecher Meister gewidmet. Es genügt, solche weit bekannte Kompositionen zu nennen wie „Die Dämonen" von I.P. Vakurov, „Das Märchen vom Zaren Saltan" von A.V. Kotuchina, „Die drei Wunder" von I.V. Markičev, „Der Brunnen von Bachčisaraj" von I.M. Bakanov, „Am Meeresbusen steht eine Eiche" von D.N. Butorin und andere. Die hier genannten, in den fünf Jahren zwischen 1931 und 1935 geschaffenen Werke schmücken das Museum in Palech. Gerade in diesen Jahren wird von Židkov das Palecher Museum geschaffen, und es zeigt vollständig und aussergewöhnlich vielseitig die bemerkenswerte sowjetische Kunst unseres Jahrhunderts.
I.M. Bakanov Der Brunnen von Bachčisaraj, Schatulle, 1931.
17 x 21,9 x 4,2 cm.
D.N. Butorin Am Meeresbusen steht eine Eiche, Schatulle, 1931.
11,3 x 16,8 x 4,3 cm.
Bei German Vasil'evič zu Hause lag immer an einem bestimmten Platz ein Zeichenalbum. Zu jeder beliebigen Zeit nahmen die Palecher dieses Album und hinterliessen ihre Zeichnung als Erinnerung. Den Umschlag zu diesem Album hatte der allzu früh im Krieg umgekommene P.D: Baženov gemacht. German Vasil'evič liebte diesen Künstler sehr und prophezeite ihm eine grosse Zukunft. Ich glaube, dass sich Židkov auch in diesem Fall nicht geirrt hat. Die Schatulle mit einem Motiv aus den „Zigeunern" von Puškin (1931) und insbesondere die Komposition „Čurilo Plenkovič" (1934) zeugen von der originellen Romantik dieses grossen Künstlers.
P.D. Baženov Čurilo Plenkovič, Schatulle, 1934.
19,3 x 26,7 cm. GMPI.
Der German Vasil'evič am nahestehendste Meister war Ivan Vasil'evič Markičev. Als er seine Komposition „Die drei Wunder" aus dem „Märchen vom Zaren Saltan" eingehend erörterte, bezeichnete Židkov sie als „lyrisch-monumental." Über die Gestalt der Schwanenprinzessin aus dieser Komposition schrieb er: „Bei ihr gibt es keine vorsätzliche Raffiniertheit, manierierte Eleganz, nur edle Einfachheit, charakteristisch für die ruhige und erhabene Pose der Frau, ihre fliessende und leichte Bewegung." Und weiter: „Zwischenräume aus Gold, gemalt mit einer Feinheit, zu der auch in Palech nur I.V. Markičev fähig ist, modellieren die Form mit ausserordentlicher Klarheit und verleihen ihr eine geradezu skulpturhaft-aufgefasste Dreidimensionalität." Aus der persönlichen Sammlung von Palecher Gegenständen liebte German Vasil'evič wohl auch vor allem die runde Dose mit der bekannten Komposition von Markičev „Die Schnitterinnen".
Ivan Vasil'evič Markičev Die Schnitterinnen, Platte, 1932.
15,9 cm.
(Anm. F.W.: Abgebildet ist nicht die im Text erwähnt runde Dose, sondern sehr ähnlich gestaltete eine runde Plate mit demselben Sujet.)
In der Tat ist alles darauf vollkommen: Sowohl die fliessenden, sich rundenden Linien der Silhouette, als auch die kräftigen, reinen Farben, als auch der feine, musikalische Rhythmus der Bewegung. In gewissem Masse entsprachen diese Züge dem lebendigen Charakter von Markičev, diesem kräftig gebauten, stets ruhigen und weisen Menschen. Ruhig blieb er auch auf der Jagd. Bei meinem ersten Besuch in Palech traf ich ihn zu Hause nicht an. Er war am Abend zur Auerhahnbalz gegangen und kam am Morgen mit der Beute zurück. (In jenen Jahren sangen die Auerhähne etwa zwei Kilometer vom Dorf entfernt.) Viele Meister aus Palech malten balzende Auerhähne, aber nur Markičev löste diese Komposition als Künstler und Jäger mit überzeugendem Realismus und ohne gleichzeitig die dekorative Konvention zu verlieren. Ein junger Jäger springt zu einem balzenden Auerhahn. Die Sonne ist aufgegangen, und die ersten Strahlen haben den Wald erleuchtet. Auf einer hohen Kiefer hat sich ein Auerhahn eingesungen, er hat den Schwanz breit wie einen Fächer entfaltet, und sein ganzes Gefieder spielt in grünen Schattierungen. German Vasil'evič ergötzte sich oftmals an der Schachtel mit dieser Komposition.

Wir sprachen viel und oft über russische Poesie. German Vasil'evič liebte die Dichtung des 18. Jahrhunderts und kannte sie gut. Er schätzte die Lyrik von Puškin und Tjučev sehr. Von den zeitgenössischen Dichtern las er gerne Majakovskij und Chlebnikov. Vor allem und am häufigsten jedoch las er Blok.

Jede bedeutende Kunst spiegelt die Welt wahrheitsgetreu und auf ihre eigene Art, verallgemeinert auf ihre eigene Art das Sichtbare [?] und führt folglich eigene, konventionelle Formen und Darstellungsverfahren ein. Diese Formen, die von den Palechern aus dem alten Erbe aufgenommen wurden, vermischen sich unmerklich und harmonisch mit der heimatlichen Natur. Diesen Gedanken über die Wechselbeziehung von Realem und Konventionellem in der Kunst Palechs hat Bakušinskij gut ausgedrückt, indem er Bakanovs Kompositionen untersuchte. „Die reale Gestalt der Welt," schrieb er, „sucht und findet Bakanov vor allem in der Landschaft. Die antiken leščadki [?] und Anhöhen [?] (Synonyme [?], Anm. der Red.) gehen unmerklich in die Abhänge der heimatlichen Schluchten und Flussufer aus Lehm über. Die dekorativen Bäume und Gräser werden in mittelrussische Vegetation umgestaltet. Es erscheinen kleine Tannen, Kiefern, Birken. Mitten unter ihnen die Silhouette der schlanken Kirche von Palech.

Das über Bakanov Gesagte bezieht sich auf alle Palecher Meister und natürlich vor allem auf Ivan Ivanovič Zubkov. German Vasil´evič und ich haben viel darüber nachgedacht und da
von gesprochen, wenn wir auf die Jagd oder in die Pilze gingen. Und ständig haben wir uns die Zeilen von Blok ins Gedächtnis gerufen: „Und die Birken und Tannen eilen zur Schlucht, / Und alles ist so nah und so fern, / Was man, abseitsstehend, nicht erreichen kann."

Die Jahre sind vergangen … Aber die genialen Worte von Blok bleiben im Gedächtnis. Vor den Lebenden erscheint die Gestalt von German Vasil´evič und die heimatliche Natur in der Kunst Palechs.