Das Bild, an das ich mich erinnere:
Ich, mein Bruder und meine Schwester mit einem kleinen Kind, dazu zwei weitere sechsjährige Mädchen und zwei meiner Freunde spielen im Eingangsbereich unseres Hauses mit Murmeln. Die Jungs waren durstig. Das Nachbarsmädchen sagte ihnen, sie sollten in ihr Haus gehen und mit Kwas ihren Durst löschen. Sie rannten los und riefen mir zu, dass sie bald zurückkommen würden.
Aber Pan'ka und Van'ka kamen lange nicht zurück. „Vanjuška, schau nach ihnen, sonst machen sie noch etwas kaputt", sagte eines der Mädchen zu mir.
Ich wollte zu ihnen laufen, aber plötzlich war ich erstaunt, ich sah etwas Seltsames: vor dem Haus, in das die Jungen gegangen waren, breitete sich vom Hof her ein weisser Tauschleier aus, wie er sonst abends aus dem grossen Sumpf aufstieg. Ich rief laut:
"Seht mal Mädels, wir haben gerade zu Mittag gegessen und schon ist der Abend da. Welch ein Tau ist das!".
Die Mädchen sprangen auf, hörten auf zu spielen und beobachteten das Phänomen ebenfalls mit Verwunderung. Wir staunten also, standen mit offenem Mund da, während der Tau immer dichter wurde. Vom Tor her zog eine Finsternis in unsere Richtung. Wir wollten gerade weglaufen und schauen, was los war, als plötzlich aus dem Dach und der Mitte des Hofes eine gewaltige Feuersäule hervorbrach. Feurige Vögel flogen auf uns zu, denn der Hof war mit Birkenrinde bedeckt. Und so wirbelten diese von der Hitze zu Röhren gerollten und ganz feurigen Birkenrinden vom Wind getrieben mit der Geschwindigkeit eines Vogels direkt auf unser Haus zu. Das erschien mir so schön, dass ich ungeachtet des Schreiens und der Püffe meiner Schwester wie verzaubert dastand. Der Anblick der knisternden, leuchtenden Flammen, die wirbelnden, schwarzen Rauchschwaden, das Krachen und Pfeifen, all das schockierte mich, noch nie hatte ich ein so hinreissendes und fürchterliches Schauspiel gesehen. Ich habe diesen Moment immer wieder erlebt und mir oft dieses Bild nachts oder irgendwo in einem stillen Winkel vorgestellt. Ich habe sogar mehrmals versucht, mit Farben, die ich meinem Vater gestohlen hatte, den Brand auf Papier zu malen. Aber – so sehr ich mich auch bemühte – es gelang mir nicht, die ganze Leuchtkraft des Feuers wiederzugeben. Lange Zeit später betrachtete ich einmal ein Bild, auf dem ein Brand dargestellt war, und mir schien, dass der Künstler, der dieses Bild gemalt hatte, nie einen Brand gesehen hatte.
Der Wind wehte in unsere Richtung und das Fenster unseres Hauses war geöffnet. Der Feuervogel flog durch das Fenster hinein, fand dort reichlich Nahrung und begann sogleich sein Werk: keine zwanzig Minuten später loderten die Flammen aus unserem ganzen Haus. In der Zwischenzeit kamen meine Mutter und meine Großmutter von der Getreidedarre nach Hause gelaufen, meine Mutter rannte in die rückwertige Hütte und begann, alles durch das Fenster hinauszuwerfen. Ich kann mich nicht erinnern, wie ich mich mit ihr im Zimmer wiederfand, fassungslos dastand und nicht wusste, was ich tun sollte. Meine Mutter schrie:
"Ergreif irgendetwas, du Bengel, und schlepp es hinter das Dorf".
Und so griff ich nach der Ikone "Johannes der Vorläufer", deren strenge Schönheit mich schon immer beeindruckt hatte (sie hat sich bis heute unversehrt erhalten), lief mit ihr durch das Dorf und legte sie auf einen Haufen mit Habseligkeiten. Dann ich ging zurück, um zu sehen, wie es um unser Haus stand. Aber das Haus hatte seine Gestalt bereits verloren. Alles war zusammengebrochen, und die Flammen waren nicht mehr so schön. Sie züngelten träge an den schwarzen verkohlten Balken, düster und mürrisch standen die Schornsteine wie Denkmäler auf einem Friedhof. Am Ende des Dorfes war eine gespenstisch schöne Szene zu sehen. Die Leute bekämpften die Flammen und schrien wie verrückt: "Wasser, Wasser!". Aber es gab kein Wasser im Dorf. Schliesslich erreichten die Flammen eine breite Schneise im Dorf und stoppten ihren rasenden Lauf, nachdem sie die Gebäude sowie alle Brot- und Futtervorräte vernichtet hatten (es war Oktober). Ihr zerstörerisches Werk kam zu Ende.
Inzwischen fand ich eine andere Beschäftigung. In den Brandresten erblickte ich leuchtend rote Nägel, mit diesen wollte ich meine Tasche füllen. Ich schnappte mir zwei, schrie fluchend auf und rannte mit rauchender Hose durch das Dorf...
Für die Familie begann eine schwierige Zeit, sie lebten vorerst in der Banja. Bei Irina Safonova ist zu lesen, dass sich der Vater Ivan Vasil'evič sich bei den Firmeninhabern verschulden musste und für den Rest seines Lebens von den Belousovs abhängig blieb.
In diesem Herbst bezog meine Familie ein leerstehendes Haus, mich brachte man weinend und trauernd nach Palech zu einer Tante, wo ich zur Ausbildung in die Volksschule eintrat. So begann für mich der Ernst des Lebens.
In der Schule war ich ein durchschnittlicher Schüler. Natürlich ging es nicht ohne Bestrafungen wie Ohrenziehen und Schlägen mit dem Lineal. Das war damals so üblich. Gottes Gesetz bereitete mir Schwierigkeiten und bescherte mir eine Menge Strafen vom Popen Nikolaj für Buchstaben und die Zehn Gebote.
Mehrmals machte der Pope meinen Vater auf meine Gleichgültigkeit gegenüber diesen Dingen aufmerksam, und mein Vater benutzte den Gürtel. Aber nichts half, und ich verliess die Schule vorzeitig.
Ivan Ivanovič tritt in die Fussstapfen seines Vaters, er wird zum Ikonenmaler ausgebildet. Dabei kommt er auch in Kontakt mit den revolutionären politischen Strömungen im russischen Zarenreich. Er distanziert sich zunehmend von der Ikonenmalerei, interessiert sich für die Werke der alten italienischen Meister, für russische Maler und Schriftsteller.
Als ich zehn Jahre alt war, kam ich für sechs Jahre in die Werkstatt von Belousov, um die Kunst der Ikonenmalerei zu lernen – zu studieren, wie die Gesichter und das Leben der Heiligen gemalt werden.
Im fünften Studienjahr wurde ich mit meinem Vater zur Erlernung der Wandmalerei in die Stadt Samara geschickt. Und da begann ich meine Arbeit ein bisschen zu verstehen und zu schätzen. Ich musste mit den Zeichnungen und den neuen Techniken der Meister vertraut werden, anhand von Stichen und Fotographien verschiedene Künstler kennenlernen, Kirchen aufsuchen, wo die Wände mit Öl- und Freskofarben bemalt waren. Bald konnte ich nicht mehr ohne Bücher auskommen. Ich begann alles zu lesen, was mir in die Finger kam.
So lernte ich zwar, Landschaften, Architekturelemente und Kleider zu malen, aber leider keine Antlitze. Dazu kam, dass mir die sakralen Sujets ausgesprochen missfielen. Nur Bücher und das Kopieren von gemalten und kolorierten Bildern verschafften mir in meiner Freizeit Abwechslung und förderten meinen künstlerischen Instinkt. Damals kam mir oft ein Gedanke: Was wäre, wenn man diesen Ikonenmalstil auf profane Malerei übertragen würde – wie schön wäre das. Aber damals waren das nur Träume. Als erster Künstler beeinflusste mich der aus Moskau stammende junge Palecher Meister D. I. Salapin, der die Liebe zu meiner Arbeit erweckte. Er war ein sehr belesener, gut gebildeter junger Mann und ein grosser Meister unseres Handwerks. Er vertrat völlig neue Ansichten über Kunst und Politik, vor allem dank ihm lernte ich die Namen der grossen Künstler, Schriftsteller und unserer grossen Meister der Ikonenmalerei kennen. Mit seiner Hilfe bildete sich in unserer Werkstatt ein politischer Geheimzirkel, aus dem gute Bolschewiki, viele reife Meister und echte Künstler hervorgingen.
Einen starken Einfluss auf mich hatte die italienische Malerei, ich war begeistert von Raffael, Rubens und anderen grossen westlichen Künstlern. Da ich damals hauptsächlich in Dörfern oder Städten arbeitete, die keine guten Museen hatten, bekam ich leider nur sehr wenige Originalwerke dieser Titanen der Kunst zu sehen. Wenige Male war ich in Moskau, und besuchte die Tret'jakov-Galerie und einige Ausstellungen.
Von unseren russischen Malern faszinierte mich besonders der Landschaftsmaler Šiškin. Lange blieb ich vor seinen Gemälden stehen und bewunderte unsere einheimische Natur, das herausragende Können, die Kraft der Farben und die Poesie der Sujets. Ich liebe die Landschaften immer noch und male sie oft nach meiner eigenen Manier, im Stil der alten Malerei. Meine Lieblingsschriftsteller sind Puškin, Lermontov, Nekrasov, Gogol', Turgenev, Gončarov – auch sie schufen viele schöne Bilder.
Nun, dank all der erwähnten Einflüsse sowie der Lektüre verschiedener Bücher gelang es mir, vom Ikonenmalstil etwas Abstand zu gewinnen und die künstlerische Gestaltung Schritt für Schritt in Richtung profane Malerei zu verschieben.
Und Ivan Ivanovič berichtet von seiner Arbeit als Sakralmaler, über Revolution, Krieg und über einen Neuanfang.
Nach Abschluss meiner sechsjährigen Ausbildung wurde ich mit einem Gehalt von fünfzig Rubel als Meister eingestellt. In den folgenden Jahren bis zur Oktoberrevolution arbeitete ich hauptsächlich als Kirchenmaler. Zuletzt verdiente ich siebzig Rubel – eine beachtliche Summe damals. Aber dann krachte der Donner der Revolution und fegte den nutzlosen religiösen Kram weg. Die Popen warf man über Bord des Revolutionsschiffes, unsere Werkstatt glich einem zerbrochenen Krug. Wir mussten uns nach einer nützlichen Arbeit umsehen. Einige zogen in den Krieg und wurden entweder getötet oder verstümmelt. Andere gingen in die Fabriken und Betriebe. Die Übrigen betätigten sich in der Landwirtschaft. Auch ich war für acht Jahre als Landarbeiter tätig, ohne einen Pinsel oder Stift in die Hand zu nehmen. Während dieser Zeit boten mir Bücher die einzige Entspannung von der ungewohnten und harten Arbeit eines Bauern.
Aber unter den Palecher Meistern gab es solche, die in all diesen Jahren ihre Kunst nie aufgegeben hatten. I.I. Golikov war einer von ihnen, ein grosser Meister unseres Handwerks. Ständig befand er sich auf der Suche nach Anwendungen für unsere Kunst, welche auch in einem neuen, freiheitlichen Leben nützlich sein könnten. Er malte Dekorationen, Plakate und schliesslich begann er, in unserem Stil auf Papiermaché zu malen. Er war ein virtuoser, ein begnadeter Zeichner – auf allen Ausstellungen, an denen Palecher Miniaturen zu sehen waren, zog er die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich.
In den ersten Jahren arbeiteten wir ausschliesslich für den Export und wählten Themen, die vor allem dem bürgerlichen Geschmack entsprachen. Ernstere Themen für unsere Arbeiten stammten aus den Werken unserer Klassiker – Puškin, Lermontov und andere. Aber jetzt standen wir vor der wichtigen und entscheidenden Frage des Übergangs zu neuen sozialistischen Themen. Ich persönlich wechselte auf folgende Weise zu neuen Themen: als ich eines Tages von der Arbeit heimkehrte, sah ich im Dorf einen Traktor, der neu auf der Palecher Kolchose angekommen war.