Palech hat viele Gesichter
Aus der Geschichte der Familie Korovajkov
Irina Safonova
Mnogolikij Palech - iz istorii semʼi Korovajkov
(Palech hat viele Gesichter - Aus der Geschichte der Familie Korovajkov)
Verlag Referent, Ivanovo, 2015.

In ihrem dreiteiligen Aufsatz berichtet Irina Safonova über das Kaufmannsgeschlecht der Korovajkov, die ab Mitte des 18. Jahrhunderts in Paeck eine Ikonenmalwerkstatt eröffneten.

Der Aufsatz erschien in der Palecher Wochenzeitung „Prizyv" („Aufruf") in den Ausgaben vom 10., 24. und 31. August 2010.

Aus dem Russischen von Gabriele Wolf-Keller, M.A., Dr. Felix Keller, Dr. Felix Waechter.
TEIL I
Die Gemeinde Palech galt immer als ein Dorf bäuerlicher Ikonenmaler. In den Geburtsregistern der Kreuzerhöhungskirche waren alle Einwohner Palechs und der umliegenden Dörfer leibeigene Bauern des Bojaren Ivan Buturlin und der Gutsbesitzerin Varvara Alekseevna Grjazeva. Aber im Unterschied zu den Einwohnern von Gemeinden und Dörfern, in denen keine Ikonenmalerei betrieben wurde, hatten die Palecher dank eines Schutzbriefes das Recht, sich in Russland frei zu bewegen. Im Archiv von Tjumen hat sich eine Reiseurkunde der Palecher für das Jahr 1676 erhalten, „ausgestellt für die Bauern des Landkreises Vladimir vom Truchsess Samson Emel´janovič im Auftrag des Herrn Buturlin des Erbgutes Palech dahingehend, dass sie zum Tausch von Ikonen in die Städte des Wolgagebiets, nach Nižnij, Čeboksary, Svijažsk, Kazanˈ, in sibirische Städte und Dörfer und zu Herrschaftsgütern geschickt werden dürfen" (aus den Arbeiten von A.V. Bakušinskij, zitiert nach L. Knjazeva, Die Kunst Palechs).

Palech war auch als Handelsdorf weitherum berühmt. Am Mittwoch kam viel Volk aus den umliegenden Dörfern auf dem Markt zusammen, und am Festtag der Kreuzerhöhung wurde ein grosser Jahrmarkt durchgeführt. Auf dem Jahrmarktsplatz – die Leute standen so dicht, dass „kein Apfel zu Boden fallen konnte" – verkaufte man alles, was die Bauern produzierten und Kaufleute an fremdländischen Waren mitbrachten.
Aleksandr Aleksandrovič Korovajkov (rechts, vor den Pferden stehend). Auf dem Wagen sitzend (ohne Hut): der Künstler Ivan Vasilevič Markičev.
Foto: Irina Safonova. Mnogolikij Palech - iz istorii semʼi Korovajkov. Verlag Referent, Ivanovo, 2015.
Darüber hinaus gab es in Palech Werkstätten für die Verarbeitung von Leder und Pelzen, und man züchtete Pferde zum Verkauf. Auch gab es in Palech Kaufmannsfamilien – die Korovajkovs, Šalagins, Gunjaevs (zu dieser Familie gehörten die Mutter und Grossmutter von P.D. Korin) – , und diese handelten nicht nur mit Ikonen, sondern auch mit anderen Waren wie z.B. Stoffen und Geschirr. Die städtisch gekleideten Werkstättenbesitzer und Kaufmannsfamilien fuhren sogar in der Kutsche zum Gottesdienst. Die Kinder der reichen Palecher lebten getrennt von den anderen Kindern, man nannte sie „die erste Klasse". Die Kaufleute waren oft bäuerlicher Herkunft, verfügten über Geschäftssinn, Gewitztheit und Einfallsreichtum.
Der Begründer des Geschlechts
Als Begründer des Kaufmannsgeschlecht der Korovajkov gilt der 1796 geborene Nikolaj L´vovič Korovajkov. Im Jahre 1816 heiratete er Irina Kuz´minična (möglicherweise eine Kaufmannstochter). Er lebte und arbeitete in jener Zeit in der Stadt Vjazniki. 1840 erhielten er und seine Familie eine Freilassungsurkunde (vielleicht hatte er sich auch von der Leibeigenschaft freigekauft). Im Palecher Museum befindet sich das folgende Dokument:

Im Jahre 1840, am 23. März, habe ich, die endunterzeichnende Frau des Obersten Grjazev, Varvara Alekseevna, für immer in die Freiheit entlassen meine leibeigenen Diener Nikolaj L´vovič Korovajkov, 44 Jahre alt, mit seiner Frau, Irina Kuz´minična, und seinen Kindern: dem Sohn Trifon Nikolaevič, 20 Jahre alt, mit seiner zweiten Frau, der Jungfrau aus dem Kaufmannsstand Marfa Andreevna und dem neugeborenen, vier Monate alten Sohn Aleksandr, mit dem Sohn Andrej Nikolaevič, 5 Jahre alt, dem Sohn Evstafij Nikolaevič, 4 Jahre alt, der Tochter Anna Nikolaevna, 10 Jahre alt, und der Tochter Dar´ja Nikolaevna, 8 Jahre alt. Der von mir bei der Revision inventarisierte Kaufbrief ging im Jahre 1828 von meinem leiblichen Bruder Nikolaj Karcev in meinen Besitz über. Ihnen allen ist es erlaubt, ihre Lebensart nach ihren Wünschen frei zu wählen.

Weil ich in den Geburtsregistern der Kreuzerhöhungskirche bis ins Jahr 1880 keine Einträge über Geburten, Taufen und Eheschliessungen der oben erwähnten Korovajkov gefunden habe, kann man davon ausgehen, dass sich Nikolaj L´vovič mit der ganzen Familie seines ältesten Sohnes Trifon nach Vjazniki begeben hat, um dort zu leben.

Aus den Tagebuchaufzeichnungen von D.I. Salapin geht hervor, dass die Korovajkov (Nikolaj L´vovič und Trifon Nikolaevič) ihr ganzes Vermögen im Wein- und Spirituosenhandel erwarben. Sie besassen eine eigene Weinhandlung und eine Bierbrauerei, und ihnen gehörten Wirtshäuser in Vjazniki, Mstera, Choluj und Palech. In jener Zeit hatte die Familie Korovajkov bereits Beziehungen zur Gilde der Kaufleute, und alle Nachfahren waren Angehörige des Kaufmannsstandes.
Der Beginn der Ikonenmalwerkstatt
Aleksandr Trifonovič Korovajkov (1839 - 1910).
Foto: Irina Safonova. Mnogolikij Palech - iz istorii semʼi Korovajkov. Verlag Referent, Ivanovo, 2015.
Trifon Nikolaevič war ein vermögender Mann, als er auf seine alten Tage mit seiner Frau Marfa (oder Marija) Andreevna nach Palech kam. Seinem Naturell nach war er verschlossen und sehr knauserig, seinen Sohn Aleksandr Trifonovič unterstütze er jedoch beim Aufbau einer gut ausgestatteten Werkstatt für Ikonenmalerei, die derjenigen von N.M. Sofonov nur wenig nachstand. Das Gebäude der Werkstatt war geräumig und hell. Spezielle Räume waren für die Tischlerei und die Abteilung für Ölfirnis bestimmt (heute wird dieses Gebäude nicht mehr genutzt und ist dem Verfall anheimgestellt). Bei Aleksandr Trifonovič arbeiteten sehr erfahrene Meister wie I.A. Dydykin, A.M. Korovanin, V.P. Kolesov, V.A. Chochlov und seine Söhne, die Brüder Baranov, V.A. Markičev, A.V. Zosimov und M.I. Zinov´ev. Sie alle kamen aus der Nanykin-Werkstatt, deren Traditionen sie bewahrten. Aleksandr Trifonovič war recht wohlhabend. Neben der Werkstatt in Palech besass er ein eigenes Geschäft für Ikonenhandel in Sankt-Petersburg. Möglicherweise bedingt durch seine Kurzsichtigkeit, war er äusserlich ein etwas wunderlicher Mensch. Er liebte Pferde und das Angeln und besass eine gute Equipage. „Machten sich etwa seine Arbeiter zum Angeln an den Fluss Ljulech auf, dann fuhr er ihnen in seinem eleganten Reisewagen nach. Eingespannt war sein Lieblingspferd Nagib, hinter dem vom Verwalter gelenkten Gespann rannte sein Lieblingshund Cygan. Der Verwalter nahm auch den Korbsessel für den Hausherrn mit, damit dieser den Fischfang besser verfolgen konnte. Wenn die Fischer das Netz mit einer grossen Menge kapitaler Plötze herauszogen, geriet Aleksander Trifonovič in Begeisterung. Der Verwalter steckte den Fang in einen Sack und brachte auf Befehl des Herrn aus dem Dorf Krasnoe einen halben Eimer Wein für die Fischer" (E.F. Vichrev „Die Palecher"). Für die Arbeit der Ikonenmaler bezahlte der Herr jedoch nur wenig, nur an Ostern und Weihnachten erhielten sie auf eine schriftliche Mitteilung von ihm im Wirtshaus ein Viertel Wodka.

Die Gattin von Aleksandr Trifonovič, Ol´ga Vasil´evna, war eine ruhige Frau. Ihre Tochter, Anna Aleksandrovna (1860-1941), heiratete den Kaufmann der Ersten Gilde Ivan Ivanovič Turušin aus Šuja. Dieser war im Getreidehandel tätig. Er starb unerwartet an einem Schlaganfall während eines Aufruhrs der Gläubigen in Šuja gegen die Beschlagnahmung von Kirchenschätzen im Jahre 1922. Die zweite Tochter – Aleksandra Aleksandrovna – heiratete Semen Fedorovič Talanov. Die Hochzeit fand am 4. November 1884 im Haus von E. Korovajkova statt.

Der Sohn von Aleksandr Trifonovič, Pavel (1870-1915), bekam von seinem Grossvater Trifon Nikolaevič ein grosses Erbe. Pavel lebte dauernd in Sankt-Petersburg, wo er sieben einträgliche Mietshäuser und ein Geschäft für Ikonenhandel und sakrale Gegenstände besass. Bei einem Immobiliengeschäft betrog man ihn um 100´000 Rubel. Pavel war vollständig ruiniert, was er nicht ertragen konnte. Am 15. Mai 1915 erschoss er sich.

Trifon Nikolaevičs Bruder Evstafij (1836-1914) lebte in Choluj und hatte sein eigenes Geschäft: er handelte mit Ikonen. Einer seiner Söhne, Michail, starb jung, der zweite, Il´ja, führte das Geschäft seines Vaters weiter. Er war sehr sparsam. Wenn er aus dem Wald kam, trug er immer ein Bündel Reisig mit sich. Sagte man dann zu ihm, er habe doch die Mittel, gutes Brennholz zu kaufen, dann pflegte er zu antworten: „Alles brennt!" Über die Schwestern Anna Nikolaevna und Dar´ja Nikolaevna ist nichts bekannt. Heute befindet sich im Haus von Evstafij Korovajkov die Werkstatt von V. Čirkin und A. Gusakovskij.
TEIL II
Mit dem 1835 geborenen Andrej Nikolaevič lebte das Geschlecht der Korovajkov weiter. Seine Frau stammte ebenfalls aus einer Kaufmannsfamilie aus Šuja. Ihr Erstgeborener war Aleksandr Andreevič (1856-1950) – von ihm wird weiter unten die Rede sein. Der zweite Sohn war Ivan Andreevič. Er war verheiratet mit der Kaufmannstochter Marija Fedorovna Turušina aus Šuja. Sie lebten im Wohlstand und besassen viele gewinnbringende Schenken und Wirtshäuser. Ivan hatte auch einen gut geführten Bauernhof. Er liebte Pferde über alles und war ein verwegener Reiter. Manchmal kannte er keine Grenzen und ritt sein Pferd zuschanden. Er starb im Jahre 1905.

Sein Bruder Sergej Andreevič war das pure Gegenteil – ausgeglichen, ruhig, sehr ordentlich, arbeitete er im Weinhandel. Er war nicht verheiratet und starb 1904 im Alter von 40 Jahren. Die Frau von Andrej Nikolaevič Korovajkin, Evdokija Zacharovna, lebte nach dem Tod ihres Mannes und ihrer Söhne in Armut und starb 1902, im Alter von 70 Jahren.

Der vierte Sohn, Nikolaj Andreevič, lebte in Palech in dem Haus, in dem heute die Bibliothek untergebracht ist. Darüber, von wem und wann dieses Haus gebaut wurde, kann man nur Vermutungen anstellen, solange in den Dokumenten keine handfesten Hinweise gefunden worden sind.
Wer hat das Haus und die Kapelle gebaut?
Das Haus Nikolaj Andreevič Korovajkov an der Leninstrasse.
Foto: Irina Safonova. Mnogolikij Palech - iz istorii semʼi Korovajkov. Verlag Referent, Ivanovo, 2015.
Das Haus Korovajkov heute. Untergebracht ist die Staatlich Palecher Bibliothek.
Foto: Alex Kurkin.
D.I. Salapin schreibt, dass die Korovajkov und Talanov gemeinsam das Haus zu bauen begonnen haben. Der erste Ehevertrag zwischen diesen Familien wurde um 1882 geschlossen (Ehe von Nikolaj Andreevič Korovajkov und Marija Fedorovna Talanova). Im Jahre 1884 heiratete die Enkelin von Trifon Nikolaevič, Aleksandra Aleksandrova, Semen Fedorovič Talanov. Damals stand das Haus bereits, und Trifon lebte eben dort mit seinen Kindern. Offenbar haben es Trifon, sein Bruder Andrej und sein Sohn Aleksandr Trifonovič gebaut.

Nach den Erzählungen alteingesessener Einwohner befand sich beim Haus der Korovajkov, dort wo der kleine Anbau steht, ein Tor, aus dem oftmals einer der Korovajkov in rasendem Galopp herausritt (das konnte Ivan Andreevič oder Aleksandr Trifonovič sein, die beide das schnelle Reiten liebten). Nach den Worten der Enkelin von Nikolaj Aleksandrovič (geb, 1883), Margarita Vasil´evna Ananičeva, wurde ihr Grossvater Nikolaj in diesem Haus geboren, und als der Vater sein eigenes Haus baute, lief Nikolaj mit seinen Brüdern zum weissen Haus, wo zwischen den Stockwerken ein grosser Feigenbaum wuchs, der viele Früchte trug. Ungeachtet der Aufsicht der Dienstboten, versuchten sie, wenigsten ein paar davon abzureissen.

Einstweilen ist nur das eine bekannt: beim Haus Nr. 13 an der Lenin-Strasse handelt es sich um das Familienhaus der Korovajkov, und so befindet sich denn auch gegenüber eine auf ihre eigene Kosten errichtete Kapelle. Als letzter Korovajkov lebte Nikolaj Aleksandrovič (1860-1930) in diesem Haus. Er war mit Marija Fedorovna Talanova verheiratet. Auf Grund ihres Reichtums waren vielleicht auch die Talanov Kaufleute. Nikolaj besass eine Ikonenmalwerkstatt und kaufte später eine einträgliche Handelsmanufaktur.
Aleksandr Nikolaevič Korovajkov und Anfisa Petrovna, geborene Šalagina.
Foto: Irina Safonova. Mnogolikij Palech - iz istorii semʼi Korovajkov. Verlag Referent, Ivanovo, 2015.
Auch nach der Revolution und dem Grossen Vaterländische Krieg findet die Familiengeschichte ihre Fortsetzung
Während der Revolution betrieb Nikolaj eine Pferdepoststation. Nach Meinung von D.I. Salapin war er ein guter und intelligenter Mensch. Von 1909 bis 1918 dienten sie zusammen in der Verwaltung der Kreditgenossenschaft, aber in den folgenden Jahren begann Nikolaj Andreevič immer mehr Wodka zu trinken. Da er die Entkulakisierung vorausahnte, zog er es vor, am 19. Mai 1930 selbst aus dem Leben zu scheiden. Seinen Sohn Nikolaj wurde verfolgt und zur Zwangsarbeit nach Magnitogorsk verschickt. Danach kam er alle paar Jahre nach Palech: offensichtlich hatte sein Vater irgendwo Wertgegenstände versteckt. Äusserlich war er von kleinem Wuchs, mit rötlichem Haar und Bart. Später tauchte er in Palech nicht mehr auf.

Mit neun Kindern – vier Söhnen und fünf Töchtern – hinterliess der vierte Sohn von Andrej Nikolaevič, Aleksandr Andreevič (1856-1941), zahlreiche Nachkommen. Drei seiner Söhne wurden Ikonenmaler.

Der folgende Auszug ist dem Geburtsregister entnommen:

Die Ehe des 24-jährigen Kaufmannssohn Aleksandr Andreevič mit der Kaufmannstochter Nadežda Vsevolodovna Novikova aus Šuja wurde am 28. 05. 1880 in der Kreuzerhöhungskirche geschlossen.

Die jungen Leute passten äusserlich sehr gut zueinander, aber tragisch war, dass Nadežda Vsevolodovna vor der Brautwerbung in einen Husaren verliebt gewesen war und beschlossen hatte, mit ihm aus dem Elternhaus zu fliehen. Als man dahinterkam, organisierte man unverzüglich die Verfolgung und brachte das Mädchen nach Hause zurück; als Strafe verheiratete man sie ohne ihr Einverständnis zu mit dem Palecher Kaufmann Aleksandr Andreevič Korovajkov. Das Mädchen ergab sich ihrem Schicksal und bemühte sich, eine gute Ehe- und Hausfrau zu sein. Von Natur aus war sie gutherzig und mitfühlend, bemüht, es ichrem Mann in allem recht zu machen. Dieser konnte ihr jedoch bis zum Ende ihres Lebens ihre Flucht aus dem Elternhaus nicht verzeihen und tyrannisierte sie das ganze Leben, obwohl er sie wahrscheinlich liebte. Sie war sehr schön, hatte ein liebes Gesicht, gütige Augen, eine wohlgestalte Figur, und alle waren von ihren Haaren begeistert. Diese waren üppig, gewellt und reichten bis zum Boden. Sie gebar ihrem Mann neun gesunde Kinder und starb relativ jung mit 44 Jahren. Als man ihr zum letzten Mal zwei Zöpfe flocht, musste man sie um ihre Füsse herumwickeln.

Nach der Hochzeit baute Aleksandr Andreevič ein grosses zweistöckiges Holzhaus. Es befand sich unterhalb des Hauses von N.V. Dydykin und ist heute zerfallen. Daneben wurde die Werkstatt errichtet. Der Hausherr war streng und nörglerisch. Der älteste Sohn, Nikolaj Aleksandrovič (1883-1967), war Ikonenmaler, ein Ličnik, und ein guter Portraitist. Nach der Revolution wurde er Miniaturkünstler. 1947 wurde in New York eine Ausstellung mit Arbeiten der Palecher organisiert. Auf ihr kauften Amerikaner die Arbeit „Ivan der Schreckliche" von Nikolaj Aleksandrovič. Es tat ihm leid um diese Arbeit, und als er nach Hause zurückgekehrt war, malte er für die Kinder zur Erinnerung eine ebensolche Schatulle.

Die erste Frau von Nikolaj Aleksandrovič war Marija Komarova. Die jungen Leute waren ineinander verliebt. Aber die Ärzte verboten Marija zu heiraten, weil es für sie wegen eines Nierenleidens gefährlich war, Kinder zu gebären. Das Mädchen sagte jedoch: „Wenigstens ein Jahr lang möchte ich meinen Nikolen´ka haben!" Die Ehe ging zu Ende, als Maria und ihr Sohn während der Geburt starben.
Die Familie Nikolaj Aleksandrovič Korovajkov.
Foto: Irina Safonova. Mnogolikij Palech - iz istorii semʼi Korovajkov. Verlag Referent, Ivanovo, 2015.
Das Leben aber ging weiter, und Nikolaj Aleksandrovič heiratete in zweiter Ehe Ljudmila Ivanovna Dydykina, die Tochter von Ivan Aleksandrovič Dydykin, einem der besten Meister der Sofonov-Werkstatt.

Ivan Aleksandrovič war ein kluger und belesener Mann. Seine Tochter erzog er gemäss den in der gebildeten Gesellschaft üblichen Traditionen. Er brachte sie nach Sankt-Petersburg und stellte Lehrer ein, die ihr gute Manieren und anderes beibringen sollten. Nikolaj Aleksanrovičs Frau Ljudmila war ebenfalls klug, vornehm, diszipliniert und ertrug den aufbrausenden Charakter mit Gelassenheit.
Ihre Tochter Marija heiratete den Armeeangehörigen Vasilij Filippovič Bobkov. Wegen einer unvorsichtigen Äusserung wurde er verfolgt. Ihre Kinder Margarita und Nikolaj leben heute in Jaroslavl´ und Palech.

Der zweite Sohn von Aleksandr Andreevič, Leonid Aleksandrovič Korovajkov, widmete einen grossen Teil seines Lebens der Ikonenmalerei. Er war mit Onis´ja Georgievna Cholina verheiratet.
Die Brüder Korovajkov mit Freunden.
Foto: Irina Safonova. Mnogolikij Palech - iz istorii semʼi Korovajkov. Verlag Referent, Ivanovo, 2015.
TEIL III
Nikolaj Aleksandrovič Korovajkov (1884 - 1967) mit seiner ersten Frau Marija Komarova.
Foto: Irina Safonova. Mnogolikij Palech - iz istorii semʼi Korovajkov. Verlag Referent, Ivanovo, 2015.
Nikolaj Aleksandrovič und seine zweite Frau Ljudmila Ivanovna Korovajkov (1912).
Foto: Irina Safonova. Mnogolikij Palech - iz istorii semʼi Korovajkov. Verlag Referent, Ivanovo, 2015.
Aleksandr Aleksandrovič Korovajkov (1891 - 1941) mit seiner Frau Antonina Semenovna.
Foto: Irina Safonova. Mnogolikij Palech - iz istorii semʼi Korovajkov. Verlag Referent, Ivanovo, 2015.
Leonid Aleksandrovič Korovajkov mit seiner Frau und seinen Kindern.
Foto: Irina Safonova. Mnogolikij Palech - iz istorii semʼi Korovajkov. Verlag Referent, Ivanovo, 2015.
Die Brüder Korovajkov hatten von ihren Eltern ihr attraktives Aussehen geerbt, sie waren tatkräftig und lebensfroh. Alle ausser Leonid waren leidenschaftliche Jäger und Fischer. Der Vater, Aleksandr Andreevič, war streng mit ihnen; er erlaubte ihnen nicht, das Haus zu später Stunde zu verlassen, aber sie brachten es trotzdem fertig, nachts aus der oberen Etage ihres zweistöckigen Holzhauses zu steigen, um zum Dorffest zu gelangen; im Morgengrauen liess das Kindermädchen sie wieder durch das Fenster ins Haus. Leonid hielt sich abseits von den Brüdern. Angesichts ihres blendenden Aussehens fühlte er sich offensichtlich unwohl, denn er schielte von Kindheit an auf einem Auge (vielleicht hatte er es sich auch verletzt). Er arbeitete jedoch fleissig in der Werkstatt. Nach der Revolution wurden drei der Brüder – Aleksandr, Nikolaj und Leonid – Mitglieder der Genossenschaft für Alte Malerei. Nach dem Krieg wurde Leonid – warum und von wem, ist nicht bekannt – eingeladen, Ikonen und Fresken im Dreifaltigkeitskloster in Sergiev Posad zu restaurieren. Er war einverstanden und stellte als Helfer Trofim Petrovič Ljatov, Aleksandr Dmitrievič Korovanin und Roman Leonidovič Belousov ein. Sie fuhren heimlich ins Dreifaltigkeitskloster, ohne jemandem etwas davon zu sagen. Doch das Geheimnis flog auf, man schloss alle vier als Mitglieder aus der Genossenschaft für Alte Malerei aus. Tatsächlich war es so, dass man Roman Belousov später rehabilitiert, da er diese Dummheit in seiner Jugend gemacht hatte.

Die Meister aber verbargen sich nicht mehr und setzten ihre Restaurierungsarbeiten im Kloster fort. Leonid Aleksandrovič war ein verantwortungsvoller Mensch, Pavel Dmitrievič Korin, ein tiefgläubiger Mann, kontrollierte die Arbeit der Palecher in regelmässigen Abständen. Die Restauratoren arbeiteten von 1947 bis 1955. Als P.D. Korin zum letzten Mal kam, lobte er die Arbeit, gab ihnen aber den Rat: „Das ist zu neu und leuchtend! Ihr solltet schmutzige Lappen verwenden, um es 'auf alt' zu machen". Diese drei Meister – L.A. Korovajkov, A.D. Korovanin und T.P. Ljatov – , die eine gewaltige Arbeit bei der Restaurierung des Sergij-Dreifaltigkeitskloster leisteten, wurden also in der Palecher Genossenschaft für Alte Malerei nicht rehabilitiert.

Die Tochter von Leonid Aleksandrovič und Onis´ja Georgievna, Tat´jana Leonidovna, ist Ärztin, ihr Mann, Konstantin Ivanovič Bačev, ein bekannter Chirurg aus Verchnij Landech, arbeitete ein Zeit lang in Palech.

Die zweite Tochter, Nadežda Leonidovna, arbeitet als Lehrerin in Ul´janovsk. Die Söhne Roman und Evgenij starben im Kindesalter. Der dritte Sohn von Aleksandr Andreevič, Ivan Aleksandrovič Korovajkov (1898-2001), arbeitete in seiner Jugend im Geschäft von Batuchin in Sankt-Petersburg. Im Bürgerkrieg wurde er in die Rote Armee eingezogen; nach der Dienstzeit arbeitete er mehr als 20 Jahre als Staatsanwalt in Šuja. Er war oft in Palech zu Besuch bei seinen Brüdern. Er hatte keine Kinder und starb im hohen Alter von 102 Jahren.

Der vierte Sohn von Aleksandr Andreevič, Aleksandr Aleksandrovič, war Ikonen- und später Miniaturenmaler. Nach der Revolution arbeitete er einige Zeit im Palecher Museum. Seine Frau, Antonina Semenovna Kolomenskaja, stammte aus einem Kaufmannsgeschlecht. Sie lebten in Frieden, Liebe und Eintracht. Ihren Sohn nannten sie Aleksandr Aleksandrovič.

1941 wurde Aleksandr Aleksandrovič an die Arbeitsfront eingezogen – er musste bei Leningrad Schützengräben ausheben. Der Zug wurde in Šuja zusammengestellt. In einem der Abteile fuhren Pavel Baženov, Aleksandr Korovajkov und seine Brüder. Als sie bis 20 km an Rybinsk herangekommen waren, wurde der Zug an der Station Loma von deutschen Flugzeugen bombardiert. Es gab viele Tote, unter ihnen Pavel Baženov und Aleksandr Korovajkov; Nikolaj Korovajkov hatte eine Verletzung des Brustkorbes mit Rippenfrakturen, worunter er sein ganzes restliches Leben lang litt. Begraben wurden die Palecher in einem Massengrab an der Station Loma. Den fünf Töchtern von Aleksandr Andreevič war ein verhältnismässig günstiges Schicksal beschieden, obwohl eine von ihnen in jungen Jahren starb. Fast alle heirateten Ikonenmaler: Ekaterina wurde die Frau von Vasilij L´vovič Parilov, Elizaveta, die erste Frau von Grigorij Michajlovič Bakanov, hatte einen Sohn Aleksandr, bei dessen Geburt sie starb; die zweite Frau von G.M. Bakanov, Aleksandra Glebovna Nikonova, gebar ihm die Tochter Galina (Galina Grigor´evna Markova). Marija wurde die Frau des Ikonenmalers Fedor Komarov (sie wohnten im heutigen Haus der Zubkov), Evdokija heiratete Il´ja Petrovič Šalagin und Aleksandra Nikolaj Vasil´evič Penčilov, der auf einer Flachsanbaustelle arbeitete. Die Tochter der Penčilov, Rimma Nikolaevna, lebt in Ivanovo; sie hat eine Tochter und einen Enkel.

Das Geschlecht der Korovajkov lebt also weiter. Wirft man einen Blick in seine Vergangenheit, so wird einmal mehr klar, dass der Ort des Lebens und das damit verbundene Milieu den Menschen formen und in erheblichem Masse seine Berufswahl bestimmen. So spielten das Leben in einer Siedlung von Künstlern und der Umgang mit ihnen ihre Rolle im Dasein dieser Kaufmannsfamilie von Künstlern.

Für die Hilfe bei der Materialsammlung dankt die Autorin M.V. Ananičeva, N.I. Golikjov, O.A. Kolesova und R.N. Penčilova. Die Photographien stammen aus den Archiven von G.A: Zajceva, R.N. Penčilova und I.A. Safonova.