Harmonie, Bewegung und Ruhe

Die Künstlerin Ol'ga Vasil'evna Kolygina
Ol'ga Vasil'evna Kolygina wurde am 16. März 1964 in der Stadt Rybinsk in der Jaroslaver Oblast' geboren.
1979 bis 1984 Studium an der Palecher Kunstschule.
1984 bis als Künstlerin an der Palecher Künstlergesellschaft.
1989 bis 2016 als Künstlerin bei der Arbeitsgemeinschaft Tovaričšestvo Palech.
Seit 1993 Mitglied der Künstlergemeinschaft.
Ol'ga Vasil'evna Kolygina war Teilnehmerin an verschiedenen Ausstellungen:
1988. XVIII Ausstellung junger Künstler sozialistischer Länder in der Manege, Moskau.
1994. Jubiläumsausstellung Palecher Kunst am Museum für Dekorative und angewandte Kunst, Moskau.
2007. Ausstellung Sechs Farben des Regenbogens, Museum der Darstellenden Künste, Nižnij Tagil.
2010. Ausstellung im Museum der Ikonen, Moskau.
2013. Ausstellung Palecher Meisterwerke - der Stolz Russlands, Ples.
2014. Ausstellung Palech - Ein Stück Russland im Zentralen Haus der Künstler, Moskau.
2014. Jubiläumsausstellung 90 Jahre Palecher Kunst, Staatliches Museum für Palecher Kunst, Palech.
2014. Ausstellung in der Galerie Jade, Seoul Korea.
2016. Allrussische Ausstellung Die Volkskunst Russlands, Nižnij Novgorod.
2016. Ausstellung Aus reiner Quelle, Orenburg.
2017. Allrussische Kunstausstellung Die Kunst der Lackminiatur und und Malerei auf Metall, Pavlov.
2017. Ausstellung Meisterwerke zeitgenössischer Lackminiatur Malerei, DPI Museum, Moskau.


Die Texte zu den hier vorgestellten Arbeiten verfasste die Künstlerin.
Aus dem Russischen von Dr. Felix Waechter, Gabriele Wolf-Keller, M.A. und Dr. Felix Keller.
Sommerfeiertag
Sommerfeiertag.
Dose, 2014, 16,0 x 25,0 x 4,7 cm
Auf dieser Arbeit ist der russische Feiertag Semik dargestellt. Das Thema althergebrachter russischer Feiertage ist eines meiner Lieblingsthemen, hier verbindet sich die Schönheit russischer Traditionen mit der Schönheit der Natur. Semik ist ein Feiertag der Mädchen, an dem sich junge Frauen versammeln, kleine Birken mit Schleifen und Blumenkränzen schmücken, Reigen tanzen und aus den Blumenkränzen wahrsagen.

Dies ist eine dynamische Arbeit; es gibt Bewegung, gleichzeitig sind jedoch Harmonie und Ruhe vorhanden. Ein weiteres bedeutendes Element ist der Wohlklang, die Musik äussert sich hier in der Plastizität der Figuren und der Landschaft. Ohne zu eilen, fliesst sie wie das Wasser im Fluss.
Winterspass
Winterspass.
Dose, 2014, 16,0 x 25,0 x 4,7 cm
Fünf Jahre nach ihrer Arbeit Sommerfeiertag malte die Künstlerin 2019 Winterspass, eine zweite Dose im selben Format. Auch diese Komposition lässt einen an Musik denken, die beschwingte Dynamik der Figuren kontrastiert mit der Stille der Winterlandschaft (Felix Waechter).
Hochzeit
Hochzeit.
Dose, 2014, 20,0 x 27,0 x 3,0 cm
Auch dies ist eines der Lieblingsthemen; es fesselt mit der Schönheit der Hochzeitsbräuche und -traditionen. Hier sind die Segnung des Bräutigams und der Braut, der Loskauf der Braut, die Volkstänze, Promenaden, die Hochzeits-Trojkas sowie die Tradition des Überschüttens des Brautpaares mit Getreidekörnern oder Münzen dargestellt – Symbol für ein reiches und glückliches Leben der künftigen Eheleute.
Angeln
Angeln.
Dose, 2007, 9,5 x 9,5 cm
Dies ist ein schlichtes Sujet für familiäre Harmonie und familiäres Glück, wo sich die Ehepartner oder Verliebten gemeinsam mit ihren Lieblingsdingen beschäftigen. Generell faszinieren mich Themen aus dem russischen Alltagsleben, wo sich Beziehungen zwischen einem Jungen und einem Mädchen verfolgen lassen, wo Liebe und Harmonie sichtbar sind.
Die Schaukel
Die Schaukel.
Dose, 2004, 13 x 10 cm
In meiner Vorstellung ist dies gewissermassen das Paradies auf Erden, eine Idylle. Ein Liebespaar wiegt sich auf der Schaukel, umgeben von Vögeln und Blumen - das ist das wahre Glück.
Maskerade
Maskerade.
Dose, 2004, 20 x 12 cm
Eine Maskerade aus Puschkins Zeiten; hier treffen sich russische und europäische Traditionen, und es kommt zu ihrer Vermischung. Eine Maskerade – dazu gehören immer zarte Beziehungen, da sind Rätsel, Intrige, Geheimnis, Koketterie dabei; damit fasziniert sie. Den Künstler fesselt noch ein anderer Aspekt, nämlich die Schönheit und Raffinesse der Kostüme jener Epoche; die leuchtenden Farben, die aussergewöhnlichen Formen – all das gibt ihm die Möglichkeit, neue Bilder en miniature zu gestalten, ohne von der Tradition abzuweichen.
Jagd
Jagd.
Dose, 2011, 18,0 x 3,5 cm
Das ist ebenfalls ein einfaches, alltägliches Sujet, aber während wir bei der Arbeit Angeln ein ganz junges Paar sehen, sehen wir hier die Fortsetzung der Geschichte, der Geschichte eines reifen verheirateten Paares, dem es gelungen ist, seine Liebe zu bewahren, weiterhin beständig zusammenzubleiben und sich immerzu an all diesen schlichten Dingen zu erfreuen. In einem gewissen Sinn ist das eine persönliche Geschichte, die Geschichte auch meiner Familie.
Hochzeit
Hochzeit – eines meiner Lieblingsthemen, so war meine erste Ausstellungsarbeit eine Schatulle zu genau diesem Thema. Mich als Künstlerin begeisterten immer sowohl die äusserliche Schönheit russischer Hochzeitsbräuche, als auch ihre zum Teil mystische Schönheit, die die heidnischen und christlichen Traditionen verknüpft.

Auf diesem Panneau ist eine Winterhochzeit dargestellt. Sie ist besonders dekorativ und kontrastreich, denn hier treffen ein warmes und ein kaltes Kolorit aufeinander, die erstarrte Schönheit winterlicher Natur und die Dynamik des Hochzeitsrituals. Farbenfrohe Hochzeitskleider und herausgeputzte Pferdegespanne klingen auf besondere Weise vor dem Hintergrund der kalten Farbtöne einer Winterlandschaft an.
Hochzeit.
Panneau, 2000, 32,3 x 38,3 x 2,4 cm
Im Vordergrund sehen wir die Szene der Ankunft des Bräutigams hinter der Braut, die Eltern der Braut segnen das Brautpaar. In den Händen des Vaters eine Ikone, die Mutter mit Brot und Salz. Die Hände der Braut sind gefaltet und mit einem seidenen Tuch verhüllt. Freundinnen bestreuen das Brautpaar mit Hopfen und Samenkörnern, sie sollen satt und vermögend werden, und die Trojka mit den Pferden ist bereits geschmückt und bereit, für die Trauung zur Kirche zu fahren. Die geschmückten Trojkas kennzeichnen den Hochzeitszug.

Am Tor sehen wir einen weiteren unverzichtbaren Teil der Hochzeitszeremonie – den Brautkauf. Der Brautführer verteilt den Freundinnen der Braut Geschenke und Speisen.

Der Brautführer ist einer der wichtigsten Teilnehmer der Zeremonie. Obwohl ihn alle Teilnehmer der Zeremonie bestens kennen (da das kein Spektakel ist, sondern eben eine Zeremonie), leitet der Brautführer in genau festgelegter Weise die rituellen Handlungen.

Der Brautführer muss das Zeremoniell genau kennen, zum Beispiel in welchem Moment er Hochzeitsformeln und dergleichen sprechen muss. Oft schmäht und beschimpft man gemäss dem Ritual den Brautführer, und er muss die Fähigkeit haben, derartige Witze an seine Adresse würdig zu beantworten. Der Bräutigam selbst ist eine beinahe passive Figur, er spricht am Hochzeitstag keine zeremoniellen Worte. Üblicherweise ist der Brautführer ein Verwandter (Bruder) des Bräutigams oder ein naher Freund.

Auf dieser Arbeit sieht man die für eine traditionelle russische Hochzeit charakteristische festliche Festtagsatmosphäre, aus dem ganzen Dorf versammelt sich das Volk, um das Brautpaar zu sehen, die Leute tanzen, spielen die Harmonika.
Hochzeit.
Panneau, 2000, Detail.
Im Hintergrund sehen wir, wie sich der Hochzeitszug der Kirche nähert, der Priester trifft das Brautpaar. Zur Trauung fahren die Brautleute in verschiedenen Schlitten, doch danach fahren die Jungvermählten schon im selben Schlitten zum Haus des Bräutigams.
Hochzeit.
Panneau, 2000, Detail.
Die hellen leuchtenden Flecken der Traubenbüschel/der Ebereschenbeeren [wörtl.: -trauben] ergänzen die festliche Atmosphäre und die Vögel auf dem Baum symbolisieren Liebe und Familie.

In meinen Arbeiten versuche ich, die Aufmerksamkeit den Details zu widmen, den Nuancen, von denen viele einen symbolischen Inhalt haben oder einfach dem Betrachter helfen, tiefer in das Dargestellte einzutauchen, und das Bild lebendiger machen. Aber das Wichtigste ist die Wiedergabe jener Atmosphäre, die ich empfinde, die Schilderung von Emotionen und Gefühlen.

Ich möchte speziell über das Ornament berichten, das einen bedeutenden Teil der gesamten Komposition der Arbeit einnimmt.
Hochzeit.
Panneau, 2000, Detail.
Das breite Band des Ornaments verbindet sich harmonisch mit den kalten Nuancen der traditionellen russischen Landschaft der Wintermonate und betont gleichzeitig das warme Kolorit der Gewänder, der Pferde, der Trauben der Ebereschen.

Das Ornament ist gleichzeitig dynamisch und statisch. In seiner Verflechtung des warmen «Menschlichen» mit dem kalten «Winterlichen» äussert sich das Wesentliche der Komposition. Die in angerührtem Metall ausgeführten Rosetten erinnern an Schneekristalle und Eisblumen auf Fenstern, und die farbigen Einfügungen ergänzen die koloristische Gestaltung der Hauptkomposition. Mit ihrer Unbeweglichkeit fixieren sie das Gerüst des Ornaments. Das genaue Gegenteil zu den «Winterfarben» ist das dynamische, goldene, florale Ornament. Es belebt wortwörtlich die ganze Komposition und erweist sich als Spiegelung des Sujets, bei dem Wärme und Farbenpracht, das «Sonnenlicht» des Hochzeitbrauchs die kalte winterliche russische Landschaft ausfüllen.