Wie in einem Spiegel, spiegelt sich das Leben im künstlerischen Schaffen

Der Künstler Gennadij Kočetov
Der folgende Aufsatz von O. Sergeevna ist dem 2009 verstorbenen Künstler Gennadij Nikolaevič Kočetov (Verdienter Künstler der Russischen Föderation) gewidmet, der am 6. November 2011 siebzig Jahre alt geworden wäre. Er erschien unter dem Titel Wie in einem Spiegel, spiegelt sich das Leben im künstlerischen Schaffen am 8. November 2011 in der Palecher Wochenzeitung „Prizyv".
Gennadij Nikolaevič Kočetov wurde am 6. November 1941 in Prislonicha unweit der Wolga in eine Arbeiterfamilie geboren. Das malerische Dorf gehört zum Kreis Vičugskij im Gebiet Ivanovo. Das Dorf war umgeben von jahrhundertealten Kiefern zwischen denen sich der Fluss Sunža seinen Weg suchte. Hinter dem Fluss befanden sich die Gebäude der Textilfabrik, in der seine Eltern Nikolaj Fedorovič und Praskovʹja Ivanovna arbeiteten.

Im Winter liefen die Buben Ski und rodelten gleich neben dem Haus an den steilen Hängen der Hügel. Im Sommer ging er mit der kleinen Schwester Pilze und Beeren sammeln. Älter geworden, begann er zu zeichnen, endlose Weiten, im Umkreis von drei Kilometern war alles erkennbar, und wiederholt gestaltete er auf seinen Arbeiten das geliebte Dorf. Mit solchen Annehmlichkeiten verfloss seine Kindheit, und mit der 7. Klasse beendete er hier seine Schulzeit. Er setzte seine Ausbildung an der Mittelschule in Staraja Vičuga fort. Dazu musste er jeden Tag vier Kilometer zu Fuss gehen, aber das machte ihm nichts aus, eine ganze Schar heiterer, lärmender Kinder war unterwegs, deshalb schien der Weg nicht anstrengend. Er lernte gerne, ging mit grosser Lust zur Schule. Und genau an dieser Schule erhielt er professionellen Unterricht in seinem Lieblingsfach Zeichnen. Sein bester Lehrer war B.F. Vinogradov, und dieser war es, der Gennadij Nikolaevič die Tür zu einer wunderschönen Welt öffnete – zur Welt der Kunst.
Seine Kindheit verbrachte der Künstler ohne Farben und Farbstifte
Während seiner Kindheit betätigte sich Gennadij Nikolaevič in kleinen Arbeitsgemeinschaften für bildende Kunst und unterstützte die Lehrer bei der Gestaltung von Klassenzimmern und Schulen. Aber die Möglichkeiten, sich mit seiner Lieblingstätigkeit zu beschäftigen waren beschränkt. In den Nachkriegsjahren dachte man eher nach über das lebenswichtige Brot, über die Notwendigkeit zur Arbeit zu gehen, einen Beruf zu haben. In seinem Umfeld waren die Menschen nicht schöpferisch, man sprach nicht über Farben, Farbstifte, oder Bücher und dergleichen.

Die Schuljahre vergingen unauffällig und dem Schulabgänger stellte sich die Frage, was er erlernen wollte. Die Eltern beeinflussten seine Wahl nicht. Sein Lieblingslehrer, an den er sich immer mit herzlicher Güte erinnerte, riet ihm aufgrund seines Talents für Zeichnen und Malen, an eine Kunstschule zu gehen.
Studienjahre
Es war wohl der Wille des Schicksals, dass Gennadijs Klassenlehrerin, L.V. Mokšanova, gebürtige Palecherin und Enkelin des Künstlers A. Dydykin war. Sie bemerkte seinen Eifer, seinen Fleiss und seine Bescheidenheit und riet ihm, sich an der Palecher Kunstschule zu bewerben. Nach reiflichen Überlegungen schien Palech für ihn die beste Möglichkeit zu sein. Im Folgenden trafen sich Gennadij Nikolaevič und Lidija Vasilʹevna oft in ihrem Elternhaus.

Er kam nach Palech mit seinen zahlreichen akademischen Zeichnungen, allerdings schätzte man diese im Malerdorf nicht besonders. Hier war die Palecher Schule für dekorativ angewandte Kunst bestimmend, und deren Vorgaben unterschieden sich von dem, was er zu Hause gelernt hatte. Dank rechtzeitiger Unterstützung bei der Eintrittsprüfung durch den Studienleiter N.F. Vichrev und den Direktor V.I. Astachov wurde Gennadij Nikolaevič zum Studium zugelassen. In der Folge sollte er ihren Entscheid rechtfertigen.

Das Studium sagte ihm zu, die Klasse war leistungsstark. Die Studenten kamen aus allen Winkeln des unermesslich weiten Landes, sie alle wollten mit dem Mysterium der Palecher Kunst vertraut werden. Sie lebten nicht im Überfluss aber glücklich. Oft erinnerte er sich mit seinen Freunden an diese Jahre der Jugend, Romantik und Verliebtheit. Auch die Arbeit in der Kolchose bereitete ihnen Freude. Die Dozenten N.M. Zinovʹev und F.A. Kaurcev sensibilisierten und festigten ihre Schaffensfreude.

Während seiner Studienjahre war er begeisterter Sportler, beteiligte sich an Wettkämpfen zu Ehren der Schule, des Rayons und des Gebietes. Das kam ihm im weiteren Verlauf seines Lebens zugute, braucht es doch eine enorme Energie, um mehr als 2000 Arbeiten von hohem Niveau zu malen.
...und er blieb in Palech
Nach dem Abschluss der Schule mit einem Diplom mit Bestnote hätte sich Gennadij Nikolaevič an der Akademie der Künste immatrikulieren können, aber er blieb in Palech. Die Palecher Kunst stand ihm näher, war ihm vertrauter. Er richtete sich in den Künstlerwerkstätten ein, wo er am selben Tisch mit einer klugen, stillen Frau, der begabten Künstlerin V.S. Ermolaeva arbeitete, aber es war ihm nicht lange gegönnt, die Annehmlichkeit dieses Kontakts zu geniessen. Nachdem er drei Jahre in der Armee gedient hatte und dann nach Palech zurückgekehrt war, war er angenehm überrascht, was für eine Meisterschaft seine Studienkameraden in dieser Zeit erlangt hatten. Aber das störte ihn nicht, sondern verlieh ihm im Gegenteil Kraft und erweckte in ihm das Verlangen, die verlorene Zeit so schnell wie möglich aufzuholen. Mit ausserordentlichem Eifer machte er sich an die Arbeit und widmete alle seine Kräfte und seine Zeit, um sein Können zu vervollkommnen. Die Resultate liessen nicht lange auf sich warten.
Von Ausstellung zu Ausstellung
Er wurde Teilnehmer an Jugendausstellungen der Gebiete, der RSFSR und der gesamten UdSSR. Seine Arbeiten erregten die Aufmerksamkeit der Kunstwissenschaftler, und es erschien praktisch keine Publikation in jener Zeit ohne Illustrationen von ihm. Bald nahm man ihn in den Künstlerverband zur Mitarbeit an der Ausstellungsorganisation auf. Er malte manche Arbeit für Ausstellungen, und fast alle wurden von deren Leitung angenommen. Nach dem Ende der Ausstellungen wurden jeweils viele seiner Arbeiten landesweit von den Museen gekauft: Chabarovsk, Nižnij Novgorod, Saratov, Orel, St. Petersburg, Ivanovo, Ples und viele andere Städte.

Für sein künstlerisches Werk erhielt er Anerkennung und viele Auszeichnungen. Er wurde gewürdigt mit dem Preis des Lenin-Komsomols „Für Werke von hohem künstlerischen Wert, die die besten Traditionen der Volkskunst weiterentwickeln". Er wurde ausgezeichnet mit zahlreichen Urkunden des Kulturministeriums und des Verbandes der Künstler „Für behutsame Bewahrung und erfolgreiche Weiterentwicklung der traditionellen Kunst". „Für schöpferische Erfolge im Rahmen der Entwicklung der sowjetischen darstellenden Kunst" wurde ihm der Titel „Verdienter Künstler Russlands" verliehen.

Sammler in Russland und im Ausland schätzten Gennadij Nikolaevič. Sie kauften und bestellten gern Arbeiten von ihm, besonders nach Einzelausstellungen in Moskau, Ivanovo, Palech und Ples.

Im Künstlerischen Beirat trifft man bis in unsere Tage auf Arbeiten mit seinen kompositorischen und farblichen Ansätzen, was nur bedeuten kann, dass seine Ideen noch heute aktuell und gefragt sind.
Keine Zeit sich auszuruhen
Als tatkräftiger Mensch widmete er viel Zeit der ehrenamtlichen Arbeit. Mehrere Male wurde er zum Sekretär des Kommunistischen Jugendverbandes gewählt, er war Mitglied des Gewerkschaftskomitees, war lange Brigadeleiter, Brigademitglieder und junge Künstler studierten bei ihm. Alle, die sich an ihn wandten, liess er gerne an seinem Wissen und Können teilhaben. Nicht zufällig blieb er trotz Veränderungen im künstlerischen Leben Palechs bis zuletzt ständiges Mitglied des Künstlerrates.

Gennadij Nikolaevič erreichte in seinem Leben alles allein, durch seinen Fleiss, seine Geduld, sein Leistungsvermögen und sein Trachten nach Höherem.

Er lebte ohne Missgunst und Bosheit, war immer guter Laune und in Bewegung. Er zeigte eine beispielhafte Liebe zur Palecher Kunst, leistete mit seinen Arbeiten einen Beitrag zu dieser Welt und strebte danach, dass der Betrachter die Pracht und Schönheit spürt, sich verzaubern lässt und diese einzigartige Volkskunst ins Herz schliesst.
Wie in einem Spiegel, spiegelt sich das Leben im künstlerischen Schaffen
In seinen Arbeiten, die zu eingehender Betrachtung einladen, findet man viel Profanes, Lebendiges, Gegenwärtiges, Bäuerliches und Warmes. Der Armeedienst kam in seinen Arbeiten ebenso zum Ausdruck; er begeisterte sich für Heldenthemen wie „Tačanka", „Der Befehl ist gegeben, er nach Westen, sie in die andere Richtung", „Der Trompeter", „Der Erdbunker", „Als meine Mutter mich verabschiedete".
Tačanka.
Dose, 19??, ?? cm
Der Trompeter.
Dose, 19??, ?? cm
Als meine Mutter mich verabschiedete.
Dose, 19??, ?? cm
Wenn er die Themen des Bürgerkriegs und des Grossen Vaterländischen Kriegs darstellte, fügte er in bedeutendem Masse eigene Empfindungen aus dem Soldatenleben in seine Arbeiten ein. Den „Erdbunker" malte er unter dem Eindruck von Erzählungen des Vaters, der den ganzen Krieg mitgemacht hatte.

Aufgewachsen in einer sangesfreudigen Umgebung, sang er auch selbst gern. Und diese Liedmotive findet man in seinen Arbeiten: „Ich gehe auf die Strasse hinaus, betrachte das Dorf …", „Mütterchen Wolga hinunter", „Sten´ka Razin".
Sten'ka Razin.
Dose, 1992, 6,0 x 7,0 cm
Er suchte immer nach neuen Themen und Formen. Seine Thematik war vielseitig: revolutionär, lyrisch, landschaftlich, er malte Szenen friedlicher Arbeit, Spaziergänge, epische Erzählungen. Ebenso vielseitig waren die Formen der Gegenstände: Schatullen, Platten, Puderdosen, kleine und grosse Dosen, Brillen- und Zigarettenetuis sowie Schreibutensilien. Auf seiner mehrere Sujets enthaltenden Arbeit „Frühling am Fluss" gestaltete er seine kleine Heimat. Das Hochwasser begeisterte ihn immer sehr, und in seiner Kindheit ging das ganze Dorf hinaus, um dieses Schauspiel zu sehen. Auf der Schatulle ist ein Dorf auf einem Berg dargestellt, neben einer Fabrik führt eine grosse Brücke über den Fluss. Wie Schiffe schwimmen die Eisschollen im tosenden Wasser.
Frühling am Fluss.
Dose, ??, ?? cm
Die Dose „Winter" zeigt die Natur im Winter, Jäger sind unterwegs, in ein entspanntes Gespräch vertieft, daneben ein Hündchen, ein Heuschober, junge Leute auf Skiern oder mit Schlittschuhen, verwegene Troikas voll Heiterkeit und Kühnheit, mit einer Ziehharmonika. Für Troikas hatte er eine besondere Leidenschaft, er malte sie in grosser Zahl, in Winter-, Sommer- und Hochzeitsszenen.
Winter.
Dose, ??, ?? cm
Am Palecher Thema „Der Feuervogel" führte auch für ihn kein Weg vorbei. Dieses Thema war immer populär. Er malt es oft, aber jede Ausführung war anders, einmalig, in Gold und von ungewöhnlicher Leuchtkraft.

Als einer der Ersten wandte er sich mit „Tee bei der Grossmutter" und „Ich und meine Mascha hinter dem Samovar" dem Thema des Teetrinkens zu. Viel Aufmerksamkeit widmete er Puškins Märchen: eine Schreibgarnitur „Ruslan und Ljudmila", die Platten „Das Märchen vom Fischer und vom Fischlein" und viele andere.
Beim Tee.
Dose, 1995, 9,7 х 2,6 cm
Ruslan und Ljudmila.
Teil einer Schreibgarnitur, 1999, 19 x 9,5 x 3,5 cm
Das Märchen vom Fischer und vom Fischlein.
Platte, 2000, 50 x 70 x 1,5 cm
Die Kunsthistorikerin Professor M.A. Nekrasova, Mitglied der Akademie der Künste, würdigt in ihren Werken wiederholt Arbeiten von Gennadij Nikolaevič und nennt seine Schatullen „Mein Nichtschwarzerdegebiet", „Die Jahreszeiten", „Der goldene Hahn" wertvoll.
Das Märchen vom goldenen Hahn.
Platte, 1997, 50 x 70 x 1,5 cm
Viel Zeit in seinem Schaffen widmete er auch der Monumentalmalerei. Zunächst beauftragte man ihn, in der Stadt Novomoskovsk einen Fries mit zeitgenössischer Thematik über den Kosmos zu malen. Danach gestaltete er mit einer Gruppe von Künstlern bereits den grossen Fries des Foyers des Palastes der Textilarbeiter in Ivanovo. Er beteiligte sich an der Gestaltung des Moskauer Musiktheaters und beschäftigte sich mit der Wandmalerei im Pionierpalast in Belovo.

Als sich die Gelegenheit bot, Ikonenmalerei zu studieren, befasste er sich umgehend mit dieser interessanten Tätigkeit. Zunächst malte er kleine Ikonen, dann wandte er sich der Miniaturmalerei zu, dann malte er die Ikone „Das Leben Nikolaus des Wundertäters" und anschliessend „Die Geburt der Gottesgebärerin". Er nahm an der Gestaltung der Ikonostase im Dorf Archangel´skoe im Kreis Odincovo des Moskauer Gebiets teil. Die Arbeit war schwierig, da die von Meistern aus Gžel´ hergestellte Ikonostase aus Porzellan war.

Er lebte ein langes, erfülltes, schöpferisches Leben, arbeitete sehr erfolgreich und – das Wichtigste – hinterliess mit seinen Arbeiten eine Spur in der Kunst. Man möchte sehr hoffen, dass seine Art zu leben als Beispiel für die kommende Generation diene, dass auch in ihrer Seele Feuer sei, Begeisterung für ihre Sache und Liebe zu der sie umgebenden Welt.