Durch Absolventen und Lehrer der
Staatlichen Lehrwerkstatt für Ikonenmalerei wurde nun nicht nur auf der stilistischen Grundlage der traditionellen russischen Ikonenmalerei die völlig neue Kunst der Palecher Lackminiaturmalerei begründet, sondern auch die Berufsausbildung der Lackkünstler organisiert. Dabei erfüllten die einstigen erfahrenen Ikonenmaler in der neuen politischen Situation auch den sozialen Auftrag jener Zeit – die während drei Jahren ausgebildeten jungen Meister waren nicht nur in der Lage, einzigartige Kunstgüter für den Export herzustellen, sie sahen sich als Künstler auch der Tradition verpflichtet. Die theoretische Basis für die Ausbildung in der Palecher Kunst der Lackmalerei legte der Kunsthistoriker Anatolij Vasil'evič Bakušinskij. Viele seiner Schlussfolgerungen, die er 1934 in der Monographie
Die Kunst Palechs¹ formulierte, sind auch heute aktuell. Bereits damals schrieb er: „Die Frage der Gegenwart und Zukunft Palechs wird nicht so sehr durch die Entwicklung der alten Generation der Meister entschieden, sondern vielmehr durch die richtige Ausbildung des Nachwuchses“. Bakušinskij betonte stets, dass sich Palech unbedingt ein neues künstlerisches Denken aneignen müsse, „…ohne sich selbst, ohne seine vergangene Kunst zu verleugnen, ohne sich von seinen Wurzel zu entfernen“. Dabei war es nicht einfach, in einer säkularisierten Gesellschaft, in welcher der Einfluss der Religion, der religiösen Kunst und der alten Traditionen aus dem individuellen und gesellschaftlichen Bewusstsein ausgemerzt wurde, ein solches Konzept in der Praxis umzusetzen. Die ehemaligen Ikonenmaler benötigten grossen Mut, um z.B. die alten Ikonenmalbücher in einer Zeit aufzubewahren, als diese überall verbrannt wurden. Unter den gegebenen Umständen war es auch unmöglich, die besten Beispiele altrussischer Malerei und die Palecher Ikonographie als methodisches Material für Ausbildungszwecke zu benutzen oder als Vorbilder darzustellen.